Inhaftierter bestreitet IS-Kontakte
Der in Neuss festgenommene 21-Jährige könnte Mitglied einer Terrorzelle gewesen sein. Er räumte Kontakt zu einem 17-Jährigen ein, der in Wien Attentate geplant haben soll. Verbindungen zum „Islamischen Staat“bestreitet er jedoch.
NEUSS/WIEN Die Stimmung im Neusser Stadtteil Weißenberg ist angespannt. Nach der Festnahme eines 21-Jährigen wegen Terrorverdachts möchte kaum noch jemand in dem Viertel offen über ihn sprechen. Die Nachbarn des jungen Mannes, einem Deutschen ohne Migrationshintergrund, reagieren zurückhaltend, wenn man sie nach ihm fragt. Gar von Angst ist die Rede. Einer der ganz wenigen, der dann doch spricht, ist Andreas Egerland. Der 47-Jährige wohnt im selben Hochhaus wie der 21-Jährige. Im Treppenhaus hätten er und seine Frau, die nach ihrer Festnahme wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, stets freundlich gegrüßt. „Auf mich wirkten sie nicht gefährlich. Aber sie waren ausgesprochen zurückhaltend“, sagt er. „Streng gläubige Muslime.“
Die Wohnung des 21-Jährigen, der in Verdacht steht, einem in Wien gefassten 17-Jährigen bei Vorbereitungen für einen Terroranschlag geholfen zu haben, ist seit dem Anti-Terroreinsatz am Samstag versiegelt. Darin konnten die Ermittler bislang allerdings keine Hinweise finden, die auf einen möglichen Anschlag hinweisen. Weder Waffen noch Sprengstoff wurden entdeckt. Der Mann bestreitet aber nicht, sich mit dem radikalen Islamismus auseinanderzusetzen. Deswegen war er den Behörden schon vor seiner Festnahme bekannt. „Er bestreitet aber, sich mit dem Islamischen Staat beschäftigt zu haben“, sagte ein Sprecher der zuständigen Düsseldorfer Staatsan- waltschaft. Auf die Spur des 17-Jährigen soll die Ermittler ein Zwölfjähriger gebracht haben, der im Verdacht steht, im vergangenen Jahr einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen geplant zu haben.
Das Landeskriminalamt (LKA) ist dabei, das in der Wohnung sichergestellte Beweismaterial zu sichten – unter anderem ein Handy und eine Festplatte auf einem Computer. „Das kann Tage, aber auch Wochen dauern“, betonte ein LKA-Sprecher. „Genau kann man das nicht sagen.“Unter anderem soll nach Informationen unserer Redaktion dabei ein Chatprotokoll ausgewertet werden, aus dem sich die Ermittler Hinweis erhoffen, wie weit die beiden jungen Männer mit möglichen Terrorplänen waren. Die österreichischen Behörden hatten ihre deutschen Kollegen nach der Festnahme des 17-Jährigen am Freitag informiert, weil die Handydaten des Jugendlichen Verbindungen nach Deutschland aufwiesen, wie sich herausstellte, nach Neuss. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass sich die beiden in den sozialen Medien kennengelernt haben. Der Neusser räumte ein, den 17-Jährigen zu kennen.
Möglicherweise gehören die beiden zu einer Terrorzelle mit noch weiteren Mitgliedern. Denn im Zuge der Ermittlungen wurde gestern in Österreich ein weiterer Zwölfjähriger von der Polizei vernommen, der mit dem 17-Jährigen über das „eine oder andere intensiv kommuniziert“hätte, sagte der österreichische Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler. Was dem Kind genau vorge- worfen werde, teilte die Polizei nicht mit. Der Strafunmündige sei aber an einem Ort untergebracht, an dem er unter Kontrolle stehe, so Kogler.
Die Frau des 21-jährigen Verdächtigen soll ebenfalls der islamistischen Szene angehören. Doch die Verdachtsmomente gegen sie reichten offenbar nicht für eine Inhaftierung aus. Im vergangenen Jahr wurde sie vom Neusser Amtsgericht zu zwei Wochen Jugendarrest verurteilt. Sie hatte zwei Polizisten bei einer Kontrolle als „Nazis“beschimpft. Während der Verhandlung fiel ihr Mann durch Zwischenrufe auf und wurde von zwei Justizbeamten aus dem Saal geführt.
Auf Youtube hatte der Festgenommene Ende Mai 2014 ein Video mit dem Titel „Gangsta’s“hochgeladen – Rap-Musik aus dem Dormagener Stadtteil Horrem. Dort findet sich auch ein Propaganda-Film aus der salafistischen Szene mit Verweisen auf den inzwischen verbotenen Verein „Einladung zum Paradies“und Salafisten-Prediger Pierre Vogel, der als Jugendlicher ein Gymnasium in Dormagen besuchte. Bis Oktober 2015 hatte auch der 21-Jährige in Dormagen gewohnt.
In Neuss-Weißenberg kursiert zudem eine kurze Videosequenz im Internet. Es zeigt einen Mann und eine Frau, die mit einer schwarzweißen Fahne neben einem Sandkasten stehen. Eine Anwohnerin will darin die IS-Fahne erkannt haben. Ob es sich bei den beiden Personen im Video um den Verhafteten und seine Frau handelt, ist unklar. Die Polizei kann die Echtheit des Videos derzeit nicht bestätigen.