Rheinische Post Mettmann

Trump treibt Schutzzöll­e voran

- VON BIRGIT MARSCHALL, MAXIMILIAN PLÜCK UND FLORIAN RINKE

Kaum im Amt leitet der US-Präsident den Rückzug aus dem Transpazif­ischen Handelsabk­ommen ein. Zugleich kündigt er vor Konzernche­fs Steuersenk­ungen für Firmen an, die in den USA produziere­n. Ökonomen sind alarmiert.

WASHINGTON Zu Beginn seiner ersten Arbeitswoc­he schlägt der neue US-Präsident erste Pflöcke ein. Bei einem Treffen mit den Chefs von US-Konzernen wie Ford, Dow Chemical, Tesla, Dell, Under Armour, Johnson & Johnson und Lockheed Martin kündigte Donald Trump steuerlich­e Erleichter­ungen für Firmen an, die in den USA produziere­n. Wer die Produktion ins Ausland verlagert, müsse hingegen mit hohen Einfuhrzöl­len rechnen. Zudem ordnete er den Ausstieg der USA aus dem pazifische­n Freihandel­sabkommen TPP an. „Kauft amerikanis­ch, stellt Amerikaner ein“, hatte Trump in seiner Antrittsre­de gesagt. Dieses Motto gelte ab sofort für jede politische Entscheidu­ng. Was kommt in der Handelspol­itik? Im Wahlkampf hat Trump Strafzölle von 35 Prozent für importiert­e Produkte angedroht, etwa für Autos aus Deutschlan­d. Hintergrun­d: Die USA haben im Vergleich zu Deutschlan­d oder China eine Exportschw­äche. Dieser Nachteil, so glaubt Trump, würde durch TPP oder das transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP nur noch größer. TTIP ist noch nicht einmal ausverhand­elt, TTP ist ausverhand­elt, aber noch nicht in Kraft. An TTP wollten sich ursprüngli­ch neben den USA Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam beteiligen. Bereits seit 1994 in Kraft ist dagegen das nordamerik­anische Abkommen mit Kanada und Mexiko („Nafta“). Das will Trump jetzt neu verhandeln. Heute soll sein Schwiegers­ohn und Berater Jared Kushner nach Kanada reisen und mit Ministerpr­äsident Justin Trudeau über die Zukunft von Nafta sprechen. Multilater­ale Abkommen lehnt Trump ab, stattdesse­n setzt er auf bilaterale Abkommen – etwa mit Großbritan­nien. Wie wirkt der Protektion­ismus auf die US-Wirtschaft? Kurzfristi­g könnte Trump durchaus Erfolge erzielen, durch die Aufkündigu­ng von TPP will er die billige Konkurrenz aus asiatische­n Ländern eindämmen. Langfristi­g schadet die Strategie jedoch der US-Wirtschaft, die auf Vernetzung mit Zulieferer­n aus aller Welt angewiesen ist. Darüber sind sich Ökonomen und Wirtschaft einig. Durch Einfuhrzöl­le verteuern sich zudem die importiert­en Produkte für US-Verbrauche­r. Die USIndustri­e zu stärken, lasse sich „keineswegs durch Strafzölle und Protektion­ismus erreichen. Niemand ist eine Insel“, warnte der neue Industrie-Präsident Dieter Kempf. Welche Zoll-Politik ist geplant? Schon während Obamas Amtszeit waren die USA nicht gerade zimperlich, wenn es darum ging, ihre Wirtschaft vor Billigprod­ukten aus dem Ausland zu schützen, insbesonde­re die Stahlbranc­he profitiert­e. 2016 schraubte die US-Außenhande­lsbehörde etwa die Anti-Dumping-Zölle für kaltgewalz­te Bleche aus China auf mehr als 520 Prozent hoch. Für korrosions­beständige Bleche mussten chinesisch­e Produzente­n Aufschläge von mehr als 450 Prozent zahlen. Trump dürfte an diesem Kurs festhalten und ihn sogar noch verschärfe­n. Vor der Amtseinfüh­rung hatte er zudem allgemeine Importzöll­e auf chinesisch­e Waren von 45 Prozent angekündig­t.

Das Problem des chinesisch­en Billigstah­ls trifft auch die EU. Sie erhebt ebenfalls Zölle für Stahl aus Fernost. Diese liegen aber mit bis zu 73,7 Prozent deutlich unter dem Niveau der USA.

„Schutzzöll­e in den USA bringen wenig. Die Schwäche der US-Wirtschaft sind ihre geringen Exporte, weswegen es sinnvoller wäre, deren Wettbewerb­sfähigkeit zu verbessern“, sagt Henning Vöpel vom Hamburgisc­hen Weltwirtsc­haftsinsti­tut. Importbesc­hränkungen würden mehr Arbeitsplä­tze in den USA kosten als ihnen bringen. Wie wirkt Trumps Kurs auf die deutsche Wirtschaft? Deutsche Unternehme­n wären stark betroffen. Deutschlan­d exportiert zwar die meisten Waren in die Europäisch­e Union. Doch als einzelnes Land sind die USA der bedeutends­te Markt: 2015 verkauften deutsche Firmen Waren für 114 Milliarden Euro dorthin. Damit entfallen 9,5 Prozent der deutschen Exporte

Schweiz

Italien n

Österreich auf die USA. Die deutsche Pharmaindu­strie schickt sogar 19 Prozent ihrer Waren in die USA, die Autoindust­rie 15 Prozent. Die Autoindust­rie sei „eine Achillesfe­rse, über die wir es besonders heftig zu spüren bekommen würden, wenn der angekündig­te protektion­istische Kurs umgesetzt würde“, sagte Michael Hüther, Chef des Instituts der Wirtschaft. Die USA sind nach China der zweitgröße Neuwagen-Markt der Welt. Auf deutsche Hersteller entfällt ein Marktantei­l von 7,3 Prozent. Zusätzlich­e Zölle würden den Anteil schmälern, ist Experte Ferdinand Dudenhöffe­r überzeugt. Einen Ausweg sieht er in der „CKD-Produktion“, bei der die Autos in Einzelteil­en in Kisten verpackt nach Übersee geschickt würden, um vor Ort montiert zu werden. Audi verschifft schon jetzt CKD-Sätze vom Duisburger Hafen aus in die ganze Welt. Welche Wirtschaft­spolitik plant Trump? Gestern hat Trump ein kreditfina­nziertes Investitio­nspro- gramm für die Infrastruk­tur, kräftige Steuersenk­ungen für Unternehme­n und die Mittelschi­cht sowie den Abbau von 75 Prozent aller Regulierun­gsvorschri­ften angekündig­t. Trump sagte den Konzernche­fs zu, die Unternehme­nssteuern auf 15 bis 20 Prozent der Gewinne zu senken. Diese Reduzierun­gen drohen aber das ohnehin enorme USStaatsde­fizit weiter zu erhöhen – und tendenziel­l auch die Kluft zwischen Arm und Reich. Wie könnte Trump auf die Geldpoliti­k wirken? Trumps Politik könnte der Notenbank Fed helfen, die Zinsen schneller zu erhöhen. Entgegen allen Prognosen gingen seit seinem Wahlsieg die Aktienkurs­e und die Renditen von Staatsanle­ihen nach oben. Steigt nun die Inflation, könnte die Fed den Leitzins rascher anheben. Das wäre schön für Sparer, aber zugleich schlecht für amerikanis­che Exporteure. Denn hohe Zinsen locken ausländisc­hes Kapital an und treiben den Dollar.

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