Rheinische Post Mettmann

Eingewechs­elt

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND JAN DREBES

Martin Schulz muss eine beispiello­se Aufholjagd starten, wenn er Angela Merkel gefährlich werden will. Dass er kämpfen kann, hat der Mann aus Würselen bei Aachen in seinem Leben allerdings schon oft bewiesen.

WÜRSELEN/BERLIN Gut acht Jahre muss es her gewesen sein, etwa zu der Zeit des Rücktritts von Kurt Beck, da wurde Martin Schulz die KFrage schon einmal gestellt. In einer Unterbezir­ksvorstand­ssitzung seiner Heimat-SPD im Aachener Land. Ob er denn einmal Kanzlerkan­didat werden wolle, wollten sie wissen. „Ja, das würde ich wollen, vor allem aber Kanzler“, habe er damals gesagt, erinnert sich ein Teilnehmer.

Das kann er nun unter Beweis stellen, die Aufholjagd kann begin- steht. Es ist ein weiterer Schritt in der Karriere eines Mannes, der schon einen langen Weg gegangen ist. Einen Weg, der nicht immer gerade war.

Der heute 61-Jährige wuchs in Würselen bei Aachen in einer Welt auf, die geprägt ist vom Spießertum der 50er Jahre, vom rheinische­n Katholizis­mus und vom Braunkohle­tagebau, in dem Schulz in erster Linie Arbeitsplä­tze sieht – und nicht eine Umweltbela­stung.

Als jüngstes von fünf Kindern interessie­rt er sich vor allem für Fußball. Wie so viele kleine Jungen will er Profifußba­ller werden. Ein guter Techniker sei er zwar nicht gewesen, „aber vorbildlic­h im Einsatz“, meint Schulfreun­d Dietmar Schultheis. So ehrgeizig sei Martin gewesen, dass er dafür Fouls in Kauf genommen habe, „aber hinterher tat ihm das immer sehr leid“. Eine Knieverlet­zung vereitelt die Profikarri­ere.

In diesem geplatzten Traum sehen seine Berater heute eine wichtige Ursache dafür, dass Schulz in den 70er Jahren viel zu viel Alkohol trank. Jahrelang spielt sich ein Großteil seines Lebens in der Dorfkneipe ab, wo damals gefeiert, aber auch leidenscha­ftlich über Politik diskutiert wird. thentische­r auftreten als Gabriel, meint Schultheis, der ihn politisch nahe bei Helmut Schmidt verortet. „Er kommt auch bei Konservati­ven sehr gut an“, meint er. Beim Neujahrsem­pfang des Bürgermeis­ters in Eschweiler etwa, da habe „der Martin“, wie sie ihn hier nennen, Mitte Januar eine Rede vor 600 Leuten gehalten. Alle demokratis­chen Parteien waren vertreten. Mucksmäusc­henstill sei es gewesen im Saal – und am Ende habe er von CDU-Leuten beinahe mehr Zuspruch bekommen als von der eigenen Partei. Nur zu Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft, da meier den Weg ins Bundespräs­identenamt bahnte. „Das war auch ein alter Plan von Martin“, erzählt Schultheis. Vor etwa einem halben Jahr habe Schulz ihm verraten, dass er es gut fände, wenn Steinmeier Bundespräs­ident würde.

Doch die lange Zeit der Ungewisshe­it in der Öffentlich­keit strapazier­te die Partei zuletzt bis aufs Äußerste. Jetzt sind alle stolz darauf, so lange die Entscheidu­ng hinausgezö­gert und geheim gehalten zu haben. Auch die Gabriel-Fans, etwa der Chef des einflussre­ichen rechten Seeheimer Kreises in der SPD-Fraktion, Johannes Kahrs: „Tief in mei-

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