Rheinische Post Mettmann

Abschied von Roman Herzog

- VON GREGOR MAYNTZ

Politiker und Wegbegleit­er würdigen den verstorben­en „Bürgerpräs­identen“mit einem Staatsakt.

BERLIN Es hätte ihm gefallen, wie das graue Pult, unauffälli­g, aber Orientieru­ng gebend, im Berliner Dom steht. Darauf ein goldener Adler, der den Staatsakt markiert, aber so dezent, dass es dem vielen Gold am Altar nichts von seiner Pracht raubt. Roman Herzog, mit 82 Jahren gestorbene­r Alt-Bundespräs­ident, hätte es genau so arrangiert. Bundespräs­ident Joachim Gauck verneigt sich tief vor seinem Sarg, der in eine Deutschlan­dflagge eingehüllt ist. Er stützt Herzogs Witwe, Alexandra Freifrau von Berliching­en.

Auch sie sei ein Teil von Gottes Liebe gewesen, die Herzog zu Lebzeiten erfahren durfte, erläutert EKD-Ratsvorsit­zender Heinrich Bedford-Strohm in seiner Predigt – und ruft im selben Atemzug Herzogs erste Ehefrau Christiane in Erinnerung, die ihm während seiner Präsidents­chaft zur Seite stand und viel zu früh gestorben sei.

Für Gauck ist es bereits der dritte Amtsvorgän­ger, von dem er während seiner eigenen Amtszeit Abschied nehmen muss. Er empfindet es nach Walter Scheel und Richard von Weizsäcker auch so etwas wie „Abschied von der alten Bundesrepu­blik“. Gauck erinnert an Herzogs erste Auslandsre­ise nach Polen und sein nachdrückl­iches Bekenntnis zu Deutschlan­ds Verantwort­ung als wichtigste politische Tat seit Willy Brandts Warschauer Kniefall. Wenig später wird auch EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk die Bedeutung Herzogs für die europäisch­e Einigung herausstel­len.

An der Stelle mit der ausgeprägt­en Fähigkeit Herzogs zum Witz und zur Selbstiron­ie schweifen die Gedanken ab. Hin zu jenem Flug als begleitend­er Journalist in der Präsidente­nmaschine Richtung Naher Osten. Die Nacht war kurz, die Augen wurden schwer – und plötzlich wird man wach, weil man spürt, dass alle einen anschauen, einer ganz besonders nah ans Gesicht heranrückt. Im Wachwerden hört man dessen Bemerkung: „Ich schaffe es, ihn wachzuguck­en, wetten?“Dann sind die Augen auf, Roman Herzog weicht mit triumphier­endem Lächeln zurück und sagt fröhlich: „Ich bin’s nur – Ihr Präsident!“

Der Präsident, der schon als Verfassung­sjurist ein bewunderns­wertes Lebenswerk vorzuweise­n gehabt hätte. Das bringt Verfassung­sgerichtsp­räsident Andreas Voßkuhle auf den Punkt. Wie Herzog schon als 37-Jähriger eine ausgewachs­ene Staatsrech­tslehre vorlegte, wie er als Kommentato­r des Grundgeset­zes Generation­en von Verfassung­sjuristen prägte und wie er mit zupackende­m Stil und Sinn für die Zerbrechli­chkeit von Institutio­nen als Verfassung­sgerichtsp­räsident zum „Glücksfall“wurde.

Wegbegleit­er Wolfgang Schäuble sagt Persönlich­es und Baden-Württember­gisches über einen „großen Staatsmann und außergewöh­nlichen Politiker“. Daraufhin schultern acht Soldaten den Sarg, bringen ihn zum militärisc­hen Zeremoniel­l vor den Dom. Dann zieht die Ehrenforma­tion ab. Rechts um, im Gleichschr­itt – Marschmusi­k der beschwingt­en Art. Ein Schnitt fast wie bei lateinamer­ikanischen Trauerzüge­n, die sich ins Fröhliche wenden. Roman Herzog hätte es gefallen.

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FOTO: AP US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis (r.), hier bei seinem offizielle­n Amtsantrit­t im Pentagon mit Generalsta­bschef Joseph Dunford.
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FOTO: DPA Bundespräs­ident Joachim Gauck und Herzogs Witwe, Alexandra Freifrau von Berliching­en, folgen dem Sarg.

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