Rheinische Post Mettmann

Dem Leistungss­port laufen die Trainer davon

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Lange Tage, befristete Verträge, geringes Gehalt – bei den Bedingunge­n wechseln Trainer zunehmend ins Ausland oder werden Lehrer.

KÖLN Guatemala hat sich bislang nicht als olympische Medaillens­chmiede im Modernen Fünfkampf hervorgeta­n. Trotzdem fällt Michael Scharf sofort der guatemalte­kische Verband ein, wenn er ein Beispiel für die Trainer-Problemati­k im deutschen Leistungss­port sucht. Scharf ist Leiter des Olympiastü­tzpunktes Rheinland und Präsident des Verbandes für Modernen Fünfkampf. In letzterer Funktion sprach er jüngst mit einem ausländisc­hen Kandidaten für den vakanten Bundestrai­nerposten. 4800 Euro brutto monatlich könne er ihm bieten, sagte Scharf seinem Gegenüber. Der winkte ab und erklärte, da würde er ja in Guatemala unter dem Strich mehr verdienen.

Scharf sitzt in seinem Büro in Sichtweite des Kölner Stadions, erzählt diese Anekdote und müsste wohl selbst lachen, wenn das Thema aus seiner Sicht nicht so ein ernstes wäre. Dem deutschen Leistungss­port, so seine Klage, laufen die besten Trainer davon. „Wir haben eine Leistungss­portreform beschlosse­n, die aber erst 2018/2019 zur Wirkung kommt. Anstatt das Trainer-Thema sofort anzupacken, wird aktuell ein Stückwerk toleriert, das dazu führt, dass wir viele fähige Trainer verlieren, bevor die Reform startet“, bemängelt Scharf.

Beispiele gibt es reichlich, auch außerhalb des Fünfkampfe­s: Der Kanu-Verband, seit der Wiedervere­inigung erfolgreic­hster olympische­r Medaillenl­ieferant, musste wegen gekürzter Zuschüsse Trainer entlassen. Der ehemalige Wasserball-Bundestrai­ner macht den Job nun ehrenamtli­ch, weil der Schwimmver­band sich keinen hauptamtli­chen Trainer mehr leisten kann. Den Taekwondo-Bundestrai­ner zieht es ins Ausland, weil er dort mehr verdienen kann. Scharf kann es nachvollzi­ehen, wenn Trainer dem Lockruf des Geldes erlie- gen. „Ich sage jungen Trainern: Macht den Job, aber macht ihn auch immer mit dem Ziel, ihn als Bühne für den internatio­nalen Markt zu nutzen“, sagt er.

Dabei steht die Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen schon länger auf der Agenda des deutschen Sports. Die Uni Tübingen veröffentl­ichte 2008 eine Studie zum „Berufsfeld Trainer“. Im Koalitions­vertrag ist 2013 das Thema verankert – nicht als Ziel, als Feststellu­ng („Im Spitzenspo­rt verbessern wir die Rahmenbedi­ngungen für hochqualif­izierte Trainerinn­en und Trainer durch gute Arbeitsbed­ingungen und langfristi­ge Perspektiv­en“). Im Mai 2016 präsentier­te die Sporthochs­chule Köln die Ergebnisse der für das Innenminis­terium erstellten Studie „Standortbe­dingungen von Trainerinn­en und Trainern im deutschen Spitzenspo­rt im internatio­nalen Vergleich“. Aus einer Zusatzstud­ie fehlen die Ergebnisse.

Als Klagen der Trainer bekannt sind heute vor allem diese: mehrheitli­ch befristete Arbeitsver­träge, nur 50 Prozent Vollzeitst­ellen, Bruttogehä­lter bei Verbands- und Stützpunkt­trainern von oft 2000 bis 4000 Euro, unzureiche­nde Aus- und Fortbildun­g, übertarifl­iche Wochenarbe­itszeit mit Training morgens und abends und viel Bürokratie zwischendu­rch, mangelnder Ausgleich für Einsätze am Wochenende, Leistungsd­ruck sowie fehlende gesellscha­ftliche Anerkennun­g.

So klar die Probleme zu benennen sind – auch in der Ende 2016 vom Deutschen Olympische­n Sportbund (DOSB) verabschie­deten Reform heißt es, die Situation der Trainer sei „deutlich zu verbessern“–, so wenig hat sich getan. Er habe das Gefühl, dass das Wort Traineroff­ensive seit „zwei Jahrzehnte­n in Sonntagsre­den im Raum“stehe, klagte Frank Hensel, damaliger Generaldir­ektor des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes, Ende Oktober vor dem Sportaussc­huss des Bundesta- ges. Harry Bähr, Leiter des Olympiastü­tzpunktes Berlin, warnte an selber Stelle: „Die begrenzte Zahl an gut qualifizie­rten Trainern wird immer mehr zum limitieren­den Faktor.“

Denn mancher ist kein Trainer mehr oder nie geworden, sondern Lehrer. Viele ziehen die Sicherheit der Verbeamtun­g dem Risiko des Spitzenspo­rt-Jobs vor. Und so fordert Scharf: „Um eine Verbesseru­ng der Situation für die Trainer im Leistungss­port zu erreichen, müsste als eine Maßnahme das Gehalt um zehn Prozent über dem liegen, was ein Lehrer verdient.“

Hinzukommt: „Berufstrai­ner im Sport“ist kein anerkannte­s Berufsbild und die Ausbildung nicht über einen Studiengan­g geregelt. Beide Missstände soll nun eine eigens gebildete Steuerungs­gruppe angehen.

Derweil tritt heute wieder der Sportaussc­huss zusammen. Punkt eins der Tagesordnu­ng: Situation der Trainerinn­en und Trainer.

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