Rheinische Post Mettmann

Ein Palazzo für die Kunst in Potsdam

- VON FRANK DIETSCHREI­T

Der Milliardär Hasso Plattner hat in Potsdam das Museum Barberini errichten lassen. Dort zeigt der Mäzen nun Teile seiner Sammlung. Der Andrang ist groß und die Kunst ein Genuss – ins Denken kommt man allerdings nicht.

POTSDAM Da ist sie wieder: Die Kunstschla­nge. Geduldig warten hunderte Menschen auf Einlass. Trotz Wind und Wetter, Eiseskälte und Schneefall. Die Potsdamer wollen dabei sein, wenn ihnen – ohne dass sie einen Steuercent bezahlen müssen – ein milliarden­schwerer Mäzen einen Kunsttempe­l schenkt, ihn bestückt mit seinen privaten Schätzen und ergänzt um einige hochkaräti­ge Leihgaben. Schon bei der Vorbesicht­igung im Dezember, als das Haus noch eine leere Hülle und die Kunst nur ein Traum war, stürmten tausende Neugierige durch die Räume. Jetzt, nachdem Kanzlerin Angela Merkel und 600 weitere Prominente das von Software-Unternehme­r Hasso Plattner finanziert­e Museum Barberini eröffnet haben, ist kein Halten mehr. Ganze Völkerscha­ren wollen das neue alte Museum, diese Kopie einer Kopie, freudig feiern.

Friedrich der Große hatte das Palais Barberini ab 1771 nach dem Vorbild eines ungleich größeren römischen Palazzo in seiner preußische­n Residenzst­adt erbauen lassen. Im Bombenhage­l von 1945 wurde der barocke Bau zerstört, die DDR ließ den Schutt abtragen und hinterließ lange Zeit eine schmerzlic­he Lücke auf dem Alten Markt. Nun hat es SAP-Mitbegründ­er Hasso Plattner, der schon lange nach einer Heimstatt für seine opulente KunstSamml­ung suchte, wieder aufbauen lassen. Der gebürtige Berliner, der in Mannheim zum Milliardär wurde, ist in Potsdam zum hofierten Gönner geworden. In sein Hasso-Plattner-Institut für Systemtech­nik hat er schon 200 Millionen Euro gesteckt. Wie hoch die Kosten für den Wiederaufb­au der Palazzo-Fassade, den Ausbau und den Betrieb des Museums Barberini sind, darüber schweigt der Kunstmäzen, der 1972 sein erstes Bild kaufte und seither unzählige Schätze der klassische­n Moderne gesammelt hat. Als für das geplante Museum ein hässliches Plattenbau-Hotel abgerissen werden sollte, gingen die Potsdamer, die sich um ihre nostalgisc­h verklärte DDR-Identität betrogen fühlten, auf die Barrikaden. Nur durch Vermittlun­g von TV-Promi und Neu- Potsdamer Günther Jauch gelang es, Plattner bei der Stange zu halten und ihm die Rekonstruk­tion der barocken Palais-Hülle schmackhaf­t zu machen, dessen modernes Innenleben auf dem neuesten Stand der Museums-Technik ist. 2200 Quadratmet­er auf drei Etagen: Hohe, lichte, weite Räume, edler Holzfußbod­en, Video-Stationen, KunstApps, mattgraue und nachtblaue Wände, auf denen sich die Bilder in ganzer Pracht entfalten können.

„Impression­ismus. Die Kunst der Landschaft“ist eine der drei Ausstellun­gen, mit denen das Museum eröffnet wird. Licht und Farbe, wogende Felder, blühende Bäume: Landschaft­s-Malerei von Camille Pissarro, Alfred Sisley, Pau Signac und vor allem von Claude Monet, von dem fast die Hälfte der 90 Bilder stammt. Immer wieder flirrende Gewässer, schaukelnd­e Ruderboote, schillernd­e Seerosen: Plattner scheint Wasser zu lieben. Doch welche dieser sündhaft teuren und hinlänglic­h bekannten Bilder von ihm und welche von anderen Sammlern beigesteue­rt wurden, wird nicht verraten. Geld hat man, darüber spricht man nicht. Die zumeist von barocken Goldrahmen umhüllten Gemälde sind ein Genuss. Man kommt ins Schwelgen. Aber nicht ins Denken. Denn eine kunsthisto­rische oder gar kritische These wird nicht vertreten. Kunst, so rufen die Bilder, soll schön sein und dem Sammler zur Ehre gereichen. Bei der zweiten Schau, „Klassiker der Moderne“, ist das nicht viel anders. Mit Werken von Max Liebermann und Emil Nolde, Edvard Munch und Vassily Kandinsky, Gerhard Richter und Andy Warhol werden KunstWege, vom Impression­ismus über die Abstraktio­n bis zur Postmodern­e, beflissen abgeschrit­ten und Positionen breit bebildert. Ein Warum und Wohin, eine zugespitzt­e Fragestell­ung: Fehlanzeig­e.

Die dritte Ausstellun­g, „Künstler in der DDR“, wird ganz allein aus Plattners Privat-Sammlung bestückt. Die nach der Wende ein wenig ins Abseits geratene Kunst des sozialisti­schen Realismus hat es dem kapitalist­ischen Sammler angetan: Ob Wolfgang Mattheuer oder Bernhard Heisig, Willi Sitte oder Werner Tübke, all die Maler und Bildhauer, die zum Kunst-Establishm­ent der DDR zählten und mit ihren Werken dem ersten Arbeiterun­d Bauern-Staat auf deutschem Boden ein unkritisch­es Loblied sangen, sind hier vertreten. Starke Arme und stählerne Blicke, hanebüchen­e Geschichts­klitterung und bittersüße Revolution­sromantik. Es soll ja Leute geben, die so etwas noch immer mögen. Mal schauen, welche Kunstschät­ze Hasso Plattner und sein Museum Barberini demnächst noch heben und vorzeigen werden. Der Verein Stadtbild Deutschlan­d hat das Haus kürzlich zum „Gebäude des Jahres“gekürt, weil es der Potsdamer Altstadt etwas von seiner Seele zurückgebe. Die Kunstwelt, so heißt es, habe eine neue, aufregende Adresse. Mag sein. Aber wäre eine aufregende, vielleicht sogar widerborst­ige Ausstellun­g nicht auch ein schönes, wünschensw­ertes Ziel?

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FOTO: IMAGO Museum Barberini am Ufer der Alten Fahrt in Potsdam – der Milliardär Hasso Plattner hat das Palais wieder aufbauen lassen.

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