Ein Abenteuerspielplatz als Bühne für Faust
OBERHAUSEN Vor einer neuen Inszenierung des ersten Teils von Goethes „Faust“darf man ruhig ein mulmiges Gefühl haben. Der Abend kann aus lauter Ehrfucht vor dem totinterpretierten urdeutschen Drama strunzlangweilig werden. Er kann aber auch unter der Last „origineller“Regie-Zugriffe zusammenbrechen. Ähnliches ist am Theater Oberhausen passiert: Regisseur Pedro Martins Beja macht da weiter, wo er vor knapp zwei Jahren mit seinem ebenfalls schwer zu ertragenden „Hamlet“aufgehört hat. Die Inszenierung als lärmendes Ungetüm.
Das Ungetüm wird auf der Drehbühne von Janina Audick sogar manifest: Fünf Schauspieler, die sich zwölf Rollen teilen, turnen auf einem Gerüst mit Rutsche und allerlei lauschigen Nischen herum: Die Welt, die Faust durchdringen will, ist ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Hier wird in Auerbachs Keller mit Nazis gesoffen, hier schwängert Faust Gretchen, lässt sich Mephisto von ihrem Bruder Valentin einen Blowjob verpassen.
Es wirkt als habe man sich ästhetisch dem vermuteten Geschmack der aktuellen Schülergeneration annähern wollen, denn „Faust“ist Abiturstoff und die Inszenierung damit auch eine Art Dienstleistung. Doch wie sind die Schüler heute? Wie kann ein Theaterstück konkurrieren mit der Reizüberflutung aus dem Smartphone? In Oberhausen wird Faust selbst als überreizter Mensch dargestellt: Jetzt hat er diesen ganzen Kram studiert und blickt immer noch nicht durch. Das macht nervös. Michael Witte schreit seine Klage mehr als dass er sie spricht. Oder er erhöht die Sprechgeschwindigkeit, rotzt seinem Publikum einige Passagen einfach vor die Füße.
Aber warum dauert der Abend drei Stunden und zwanzig Minuten? Was soll der Chor aus gesichtslosen Oberhausener Oberstufenschülern? Warum verstecken sich die Spieler oft im Holzgerüst und werden durch eine verwackelte Live-Kamera gezeigt? Bluttriefende Splatter-Elemente, ein androgyner, rappender Mephisto, Youtube-Ästhetik und ein leicht bekleidetes Gretchen ergeben noch kein gutes Pop-Theater.