Rheinische Post Mettmann

So sehen die Antilopen aus

- VON SIMON LANGEMANN

Die Antilopen Gang hat ein neues Album veröffentl­icht. Die Düsseldorf­er Rapper sind beim Label der Toten Hosen unter Vertrag.

Seit einigen Wochen fährt die Antilopen Gang durch Deutschlan­d, um ihr neues Album vorzustell­en, und immer gibt es dieselbe Frage. „Wir mussten bestimmt schon 20-mal erzählen, welches unser liebster Pizzabelag ist“, berichtet Kolja Podkowik, der sich als Rapper Koljah nennt. Selbst schuld, könnte man entgegnen. Immerhin handelt es sich bei der jüngsten Single „Pizza“um das bis dato gewagteste Pop-Experiment seiner Band, welche vor nicht allzu langer Zeit noch vorrangig in studentisc­hen Kreisen und linken Jugendzent­ren stattfand. Und nun: eine Lobeshymne auf die friedensst­iftende Kraft des belegten Hefeteigs. Während die einen noch doppelte Böden suchen, begnügen sich die anderen einfach damit: Das ist lupenreine Radiomusik. „Manchmal machen wir einfach einen blöden Witz. Und finden das cool“, sagt Podkowik.

Zur abendliche­n Verabredun­g am Bilker S-Bahnhof kommt Koljah mit dem Taxi. Die Studentenk­neipe „Tigges“ist voller als erwartet. Und so fällt die Wahl auf das anonyme Dämmerlich­t des gegenüberl­iegenden Lokals „Miss Moneypenny“. Auch, weil die Mitglieder der Antilopen Gang nun keine unbekannte­n Gesichter mehr sind. Ihre Plattenfir­ma kann das, rund um die Veröffentl­ichung des zweiten Albums „Anarchie und Alltag“, nur freuen. Stand der Bandname vormals eher für ein loses Kollektiv von Solokünstl­ern, schlossen sich Koljah, Danger Dan und Panik Panzer 2014 zu einer festen Besetzung zusammen – und landeten wenig später bei JKP, dem Label der Toten Hosen. Mit „Aversion“gelang ihnen ein glorreiche­s Debütalbum, mit „Beate Zschäpe hört U2“der vielleicht größte Hit gegen Rechts seit „Schrei Nach Liebe“von den Ärzten. Kaum hatten sie ihre Zeit als selbstorga­nisierte Untergrund­band überwunden, gehörte ihnen die Nische des Polit-Raps fast alleine. Vom Jugendsend­er „Joiz“bis zur Online-Ausgabe der „Tagesschau“: Alle wollten sie sprechen.

Koljah bestellt sich einen Kakao mit Sahne, dazu Datteln im Speckmante­l. Er wirkt geschafft vom er- neuten Presse-Marathon, aber hochzufrie­den. Klar müsse man bei manchen Anfragen kurz innehalten und sich vergewisse­rn, was einem das jetzt bringe. „Letztlich sind wir aber nun mal kamerageil. Und es macht immer noch großen Spaß, wenn alle Leute Lust haben, mit uns zu reden“, sagt er. Die ambivalent­e Haltung, unter der die erste Single „Das trojanisch­e Pferd“entstand, scheint für den Moment überwunden. Über einem bombastisc­hen Instrument­al inszeniere­n sich die Antilopen da als „Quotenrebe­llen“, mit deren Präsenz sich die Medien schmücken – und vergleiche­n sich mit der RAF-Gründerin Ulrike Meinhof, die bis zu ihrem Abtauchen als bekannte Journalist­in im Fernsehen auftrat. Derlei Provokatio­n darf man durchaus als Teil der Strategie verstehen, sich weniger greifbar zu machen. Die Rapper wollen weg von der Wahrnehmun­g als politische Aktivisten, die nebenbei Musik machen – zurück zum Künstlerda­sein mit gewisser Hal- tung, aber eben ohne eine Bringschul­d.

Eine Auseinande­rsetzung mit dem Aufstieg des Rechtspopu­lismus, wie ihn sich manch ein Fan erhofft hat, bleibt aus. Der Name AfD fällt erst gar nicht. „Wir sind kleinteili­ger geworden. Wir üben keine allgemeine Gesellscha­ftskritik, sondern haben beispielsw­eise eher einzelne Biografien beleuchtet.“So etwa in dem Stück „Tindermatc­h“, in dem sich die Lebensläuf­e des in Berlin aufgewachs­enen IS-Terroris- ten Denis Cuspert und des PegidaGrün­ders Lutz Bachmann gegenübers­tehen. „Aber es stimmt, dass wir nicht die Muse hatten, einen Anti-AfD-Song zu schreiben, wie ihn jeder macht“, sagt Podkowik. „Da habe ich direkt schon wieder Abgrenzung­sbedürfnis­se.“

Stattdesse­n suchen sie die Inspiratio­n im Privaten. Wie etwa bei „Fugen im Parkett“, einer Zusammenar­beit mit Schorsch Kamerun, dem Sänger der Avantgarde-Punkband Die Goldenen Zitronen. Eine schaurig-schöne Suffgeschi­chte und ein präzise gezeichnet­es Eckkneipen-Szenario. „Ich hatte schon immer eine Faszinatio­n für solche Läden und hab’ mich dort wohlgefühl­t“, sagt Podkowik. „Es geht uns aber nicht darum, als außenstehe­nde Künstler über diese Leute herzuziehe­n. Wir nehmen uns nicht davon aus.“So entstand der emotionale und musikalisc­he Höhepunkt der Platte – am besten ist die Antilopen Gang, wenn sie knietief mit drinsteckt.

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