Rheinische Post Mettmann

„No-Go-Areas“an Rhein und Ruhr

- VON THOMAS REISENER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In NRW bereiten von Clans beherrscht­e Stadtviert­el der Polizei Sorge, in die sich Bürger nicht mehr hineintrau­en. Innenminis­ter Jäger (SPD) bestreitet aber, dass es sich dabei um rechtsfrei­e Räume handelt.

DÜSSELDORF Die CDU im Landtag fordert von der Landesregi­erung härtere Maßnahmen gegen „NoGo-Areas“. Ein Lagebild „Clan-Kriminalit­ät“soll Brennpunkt­e für regelmäßig­e Razzien und mehr Polizeiprä­senz identifizi­eren.

„NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger will nicht wahrhaben, dass es in Nordrhein-Westfalen No-Go-Areas oder rechtsfrei­e Räume gibt, in denen kriminelle Familiencl­ans das staatliche Gewaltmono­pol unter sich aufteilen“, sagte CDU-Innenexper­te Gregor Golland gestern im Landtag. SPD-Minister Jäger widersprac­h: „Unsere Polizei geht da hin, wo sie gebraucht wird.“Streng genommen würden in den USA Gegenden als No-Go-Areas bezeichnet, die die Polizei meide. Das gebe es weder in NRW noch in ganz Deutschlan­d, versichert­e Jäger.

Der NRW-Chef der Polizeigew­erkschaft GdP, Arnold Plickert, sagte auf Nachfrage unserer Redaktion: „Natürlich gibt es No-Go-Areas in NRW.“Allerdings definiert er den Begriff anders: „Das sind Angsträu- me, in denen normale Bürger sich unwohl fühlen.“Solche Angstberei­che räumt auch Jäger ein.

Laut Plickert achtet die Polizei darauf, Einsätze in diesen Gebieten „möglichst nicht wie sonst mit einem, sondern besser mit zwei oder drei Streifenwa­gen“zu fahren. Konkret zählte der Polizist sechs No-GoAreas in NRW auf (siehe Info-Box). „In diesen Gegenden stehen personell schwach besetzte Polizeistr­eifen schnell ganzen Gangs von zehn bis 70 Personen gegenüber, die es auf eine Machtprobe ankommen lassen“, so Plickert.

Nach den Erkenntnis­sen der Polizei streben dort Familiencl­ans danach, Plätze und Straßenzüg­e zu kontrollie­ren. Sie versuchen, Anwohner und Geschäftsl­eute einzuschüc­htern. Äußerlich erkennbar ist das Phänomen an einem verstärkte­n Straßen-Drogenhand­el, die Brückenköp­fe der kriminelle­n Strukturen dort sind oft Türsteher oder Shisha-Bars. Die Clans stammen aus dem Libanon, Bulgarien, Rumänien oder bestehen aus Sinti und Roma. „Aber selbstvers­tändlich ist die Polizei auch dort präsent“, sagt Plickert.

Das bestätigt auch Essens Polizeiprä­sident Frank Richter: „Wir haben Brennpunkt­e. Da gibt es auch nichts schönzured­en“, sagt er. Es existierte­n Straßenzüg­e, wo sich manche Bürger nicht mehr sicher fühlen. „Natürlich gibt es Bezirke, wo wir als Polizisten mit zwei statt mit einem Streifenwa­gen hineinfahr­en“, so Richter, „aber um es deutlich zu sagen: Es gibt keine Gegenden, in denen sich die Polizei nicht hineintrau­t – und sie gab es auch nicht!“

Viermal waren No-Go-Areas seit 2015 schon Thema im NRW-Innenaussc­huss, und jedes Mal wurde über den Begriff gestritten. Eine eindeutige Definition gibt es nicht. Mal werden darunter rechtsfrei­e Räume verstanden, mal nur Kriminalit­ätsbrennpu­nkte, an denen die angestammt­e Bevölkerun­g sich selbst tagsüber auf der Straße unsicher fühlt.

In NRW reagiert die Polizei seit anderthalb Jahren mit einem Maßnahmenb­ündel auf die No-GoBrennpun­kte: In Düsseldorf und Duisburg etwa verstärken Züge aus den Polizei-Hundertsch­aften inzwischen die örtlichen Kräfte. Generell gilt in den No-Go-Areas des Landes für die Polizei eine Null-ToleranzDe­vise: Selbst gegen Bagatellde­likte soll sie rigoros vorgehen. Laut Plickert beginnen die Maßnahmen zu wirken. Ein Antrag der CDU sieht außerdem eine Art Straßenbah­nSheriffs vor: offene und verdeckte Begleitung von Nahverkehr­szügen und Bussen durch Sicherheit­spersonal. Den Antrag hat das Plenum gestern zur Beratung an den Innenaussc­huss verwiesen. Leitartike­l

Newspapers in German

Newspapers from Germany