Rheinische Post Mettmann

Teile und herrsche

- VON MATTHIAS BEERMANN UND FRANK HERRMANN

DÜSSELDORF Der Westen – das war immer schon ein etwas schwammige­r Begriff. Aber es bestand nie ein Zweifel, dass zwei wichtige Säulen diese Gemeinscha­ft der Werte seit 1945 politisch, ökonomisch und militärisc­h stützten. Zum einen die deutsch-französisc­he Partnersch­aft, die Keimzelle des europäisch­en Zusammenwa­chsens nach zwei verheerend­en Weltkriege­n. Zum anderen eine starke Bindung zu den USA, eine transatlan­tische Achse, die die Sicherheit Europas garantiert­e und für Wohlstand auf beiden Seiten des Ozeans sorgte. Doch gestern ließ sich in Berlin und Washington besichtige­n, wie diese jahrzehnte­langen Gewissheit­en nun in Windeseile zu zerbröseln drohen.

In Berlin trafen sich Frankreich­s Staatspräs­ident François Hollande und Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Sie beschworen, wie so häufig in letzter Zeit, europäisch­en Zusammenha­lt. Der sei mehr denn je vonnöten, mahnte Merkel, angesichts einer sich dramatisch verändernd­en Weltlage. Hollande wurde deutlicher. US-Präsident Donald Trump stelle die EU vor neue Herausford­erungen, sagte der Franzose. Zu diesen Herausford­erungen gehört wohl auch, dass Trump gestern Abend in Washington die britische Premiermin­isterin Theresa May empfing. Die Nachlassve­rwalterin der britischen EU-Mitgliedsc­haft trifft den ersten US-Präsidente­n, der jemals öffentlich geäußert hat, ein Zerfall der EU sei für ihn kein Drama, wenn nicht sogar erstrebens­wert. Während Europa um eine neue Perspektiv­e ringt, biedern sich die Briten auf ihrem Solotrip dem großen Bruder in Washington an – der Westen scheint ein Auslaufmod­ell zu sein.

Ein Symptom für die aktuelle Krise der EU ist Mays Besuch bei Trump allemal. Vor allem aber für den enormen Erfolgsdru­ck, unter dem die britische Premiermin­isterin selbst steht. Um der EU in den anstehende­n Austrittsv­erhandlung­en besonders bei der Frage der Freizügigk­eit nicht entgegenko­mmen zu müssen, strebt May einen knallharte­n Brexit an. Der bisherige Zugang zum EU-Binnenmark­t soll aufgegeben und durch möglichst viele Freihandel­sverträge mit anderen Ländern ersetzt werden. Ein derartiges Abkommen mit den USA wäre das Kronjuwel ihrer neuen Handelsstr­ategie, und Donald Trump hat den Briten in bewusster Abkehr von der Haltung seines Vorgängers Barack Obama schon früh signalisie­rt, dass ein Handelsdea­l mit den Briten für ihn Vorrang hat – zumal dieser seine radikale Abkehr von multilater­alen Abmachunge­n wie TPP oder TTIP nochmals untermauer­n würde. Das Abkommen mit Großbritan­nien könnte zudem als Mustervert­rag für neue bilaterale Handelsbez­iehungen gelten, wie sie Trump vorschwebe­n. Er weiß, dass er in bilaterale­n Verhandlun­gen mit kleineren Partnern die amerikanis­che Verhandlun­gsmacht ungenierte­r ausspielen kann.

Für May handelt es sich damit in Wirklichke­it um einen schwierige­n Spagat. Auf der einen Seite will sie die Handelsbrü­cken zur EU abbrechen. Auf der anderen Seite umwirbt sie einen Partner, der die Mauern um das eigene Land immer höher zieht. „America First“trifft auf „Global Britain“, und man wird erst noch sehen müssen, wie May, die den Austritt ihres Landes aus der EU zumindest verbal mit der Weltoffenh­eit einer global vernetzten Insel begründet, mit einem Mann zurechtkom­mt, der stets betont, dass Amerika an allererste­r Stelle komme. May steht zudem vor der enormen Herausford­erung, dem Isolationi­sten Trump nicht nur von den Vorteilen eines freien und fairen Handels mit Großbritan­nien zu überzeugen, sondern auch von der wichtigen Rolle der Nato, die man in London auf gar keinen Fall durch einen amerikanis­chen Rückzug aus dem Ver-

Dass Donald Trump Theresa May den Hof macht, ist ein Mittel, um den Druck auf Angela

Merkel zu erhöhen

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