Außen Minister, innen Familienmensch
Sigmar Gabriel kommt mit Familie zur Ernennung als Außenminister. In seiner Rede kündigt er an, um Europa kämpfen zu wollen.
BERLIN Die These, dass das Private politisch sei, entstammt der Frauenbewegung der 60er Jahre. Der noch amtierende SPD-Chef Sigmar Gabriel drehte die Theorie gestern um und genoss das Politische, seine Ernennung zum Außenminister, als einen privaten Moment. Er brachte seine hochschwangere Frau und seine vierjährige Tochter mit ins Schloss Bellevue. Fotos der Familie im Kreis mit Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel wurden über die Agenturen verbreitet.
Gabriel hatte am Dienstag seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und den SPD-Vorsitz bekannt gegeben. Als einen Grund dafür nannte er auch sein Familienleben. Im Außenministerium löste dies Verwunderung aus, da der Außenminister mehr reisen muss als die Kanzlerin.
Einen schlanken Fuß will sich Gabriel jedoch wohl nicht machen. In seiner ersten Rede vor den Mitarbeitern des Auswärtigen Amts zeigte er sich leidenschaftlich für das neue Amt. „Das europäische Einigungswerk steht auf dem Spiel“, sagte Gabriel. „Wir werden um dieses Europa kämpfen.“Für den heutigen Samstag plant er einen Antrittsbesuch bei seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault.
Der 57-Jährige, dessen Amtseinführung mit skeptischen Tönen über seine Eignung als Diplomat begleitet wurden, verkniff sich jede Kritik an der neuen US-Administration. „Unsere Hand sollte ausgestreckt bleiben für eine respektvolle Zusammenarbeit, die auf dem fußt, was transatlantische Beziehungen in den letzten Jahrzehnten geprägt hat“, sagte Gabriel.
Deshalb wolle er auch bald seinen künftigen US-amerikanischen Amtskollegen Rex Tillerson sprechen. Einen konkreten Termin für die Reise gibt es noch nicht. Der frühere Öl-Firmen-Chef ist noch nicht in sein Amt eingeführt. Gestern aber wurde bekannt, dass die Führungsriege seines Ministeriums geschlossen zurückgetreten ist. Wann das US-Außenministerium bereit ist, Gabriel zu empfangen, ist also noch offen.
Nur mit leisen Tönen begnügte sich Gabriel dann aber doch nicht. Freundlich, aber deutlich drohte er den sich abschottenden USA: „Aber wir werden auch selbstbewusst die Räume nutzen müssen, die möglicherweise durch eine Abkehr der Vereinigten Staaten von der internationalen Kooperation und dem internationalen Handel entstehen“ Dabei will er sich China und weiteren Staaten in Asien als Alternative anbieten. Diesen Ländern wurde gerade erst durch die neue US-Administration das Handelsabkommen TPP gekündigt.
Als Botschaft setzte Gabriel zudem, dass er sich als Außenminister für eine „gerechtere und nachhaltigere Globalisierung“einsetzen wolle. „Wir sind Zeitzeugen einer Neuvermessung der Welt“, erklärte der neue Chef-Diplomat und klang da- bei ein wenig wie sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier, der sich gestern von seinem Team im Auswärtigen Amt verabschiedete. Er will sich am 12. Februar zum Bundespräsidenten wählen lassen.
Bevor Gabriel seine Ansprache im Auswärtigen Amt hielt, verabschiedete er sich aus dem Wirtschaftsministerium. Die Übergabe lief nicht ganz rund. Als er die Mitarbeiter begrüßen wollte, fiel ihm seine Nachfolgerin Brigitte Zypries ins Wort, erklärte, sie sei ja nun die Hausherrin und begrüßte die Gäste ihrerseits.
Das Geplänkel verweist auf einen größeren Umbruch: Nicht nur die Ämterverteilung in der SPD ist neu. Auch das Machtgefüge in der Partei wird sich erst wieder finden müssen. Dabei wird Gabriel weiter eine entscheidende Rolle spielen. Er bleibt Vize-Kanzler und damit Chef im Ring, wenn es darum geht, die letzten Kompromisse mit Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer für die große Koalition in den kommenden acht Monaten auszuhandeln.
Seinen Rückzug aus dem Amt des Parteichefs jedenfalls inszenierte er wie einer, der selbstverständlich weiter den Ton angeben will. Während Martin Schulz zum neuen Kanzlerkanidaten ausgerufen wurde, bestimmte Gabriel mit seinen Interviews in „Stern“und „Zeit“die Schlagzeilen. Dank seines Auftritts mit Frau und Töchterlein im Schloss Bellevue gehören ihm an diesem Wochenende die Bilder.
In der SPD ist nun mehrfach auf die Selbstverständlichkeit hingewiesen worden, dass Schulz als Parteichef und Kanzlerkandidat die Nummer eins in der Partei sein werde. Die Genossen hielten es aber offensichtlich für nötig, das noch einmal klarzustellen.
Schulz und Gabriel sind Freunde, auch persönlich, was in der Politik selten genug funktioniert. Trotz der Belastungsprobe rund um die Entscheidung zur K-Frage hält das Band zwischen den beiden bislang. Nun bleibt abzuwarten, wie Gabriel mit dem Machtwillen seines Freundes klarkommt.