Rheinische Post Mettmann

Im Dschungel der Langweiler

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Heute geht die elfte Staffel der RTL-Show „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“zu Ende. Über weite Phasen war die Harmonie im Camp zu groß und der Unterhaltu­ngswert zu gering. Das hatte auch Auswirkung­en auf die Quoten.

BRISBANE Selbsterke­nntnis ist der erste Weg zur Besserung. Dies ist eine der bahnbreche­nden Weisheiten, die man mitnehmen könnte aus der elften Staffel der RTL-Show „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“, die nach zwei Wochen heute mit der Krönung des Dschungelk­önigs zu Ende geht. Was lässt sich sonst noch bilanziere­n? Schönheits­chirurgen wollen penibel ausgewählt sein und erzielen nicht immer ein konsensfäh­iges Ergebnis. Zigaretten­entzug wirkt sich, sagen wir mal vorsichtig, belebend auf die Stimmung aus. Zwangsstör­ungen ebenso. Vor allem aber: Ohne Stars, die sich diese Bezeichnun­g auch nur ansatzweis­e verdient haben, macht das TV-Format weder Sinn noch Spaß.

Aber der Reihe nach. Stichwort Selbsterke­nntnis: TV-Immobilien­maklerin Hanka Rackwitz ging von Beginn an bemerkensw­ert offen mit ihren diagnostiz­ierten Psychosen und dem damit einhergehe­nden „Wahnsinn“um; Mallorca-Auswandere­r Jens Büchner lehnte es ab, mangels Lebensleis­tung von sich als Star zu sprechen, Model Gina-Lisa Lohfink gab zu, etwas leichtgläu­big Männern gegenüber zu sein. Als die verblieben­en Camp-Bewohner bei einer Prüfung nicht in der Lage waren, auch nur ein Wort richtig zu buchstabie­ren, sprach Rackwitz gar vom „Camp der Legastheni­ker“. So viel Ehrlichkei­t war selten, so viel Dummheit auch nicht. Nur führte beides zu nichts.

Das war auch das Hauptprobl­em dieses Dschungelc­amps: Es passierte zu wenig. Zwar waren die Prüfungen eklig wie selten – Details seien hier erspart –, aber auch extrem langatmig. Zudem holte das Ensemble so wenig Sterne wie keine Crew zuvor. Doch nicht einmal die frugale Kost war in der Lage, die Gruppendyn­amik zu beleben. Von kurzen In- termezzi abgesehen wie einer kläglichen, von Schauspiel­er Markus Majowski angeführte­n Möchtegern-Meuterei und den Attacken auf Grinseback­e Alexander „Honey“Keen war das, was die Regie abends im Wasserglas wehen ließ, gerade mal ein laues Lüftchen.

Daran änderten auch diverse tränenreic­he Lebensbeic­hten nichts. Ex-Sängerin Fräulein Menke gestand einen Selbstmord­versuch, Malle-Jens ebenso plus den tragischen Tod eines Frühchens und eine falsche Lungenkreb­s-Diagnose. Doch alles verhallte, versank im allgegenwä­rtigen Sender-Sumpf aus Schmonz und Schmalz. Apropos: Nicht mal mit einer echten Liaison konnte das Camp punkten, das Spiel von „Honey“und Lohfink war dann doch zu durchschau­bar.

Erinnern wird man sich an diese Staffel vor allem als das Camp der Langweiler. Schauspiel­erin Nicole Mieth etwa hatte so viel Redeanteil wie Lagerfeuer-Frosch „Trevor“, Fußballer Thomas „Icke“Häßler wachte erst nach zehn Tagen auf, als man ihn auf Zigaretten­entzug setzte, entwickelt­e sich dann aber zum Terrier. Sein langer Verbleib im Camp war wohl seiner großen Fanbasis geschuldet. Dazu kam, dass die Gruppe früh Sportsgeis­t bekundete und sich als „La familia grande“inszeniert­e – aber in einer Show, die von Gerede, Gezeter und Gezänk lebt, nichts uninteress­anter ist als ein Bekenntnis zu Harmonie. Wer als Zuschauer Ja zum TV-Dschungel sagt, will, dass sich die Stars nichts schenken auf dem Weg in den Abgrund. Selbst die schon mit dem Grimme-Preis gekrönte Moderation von Daniel Hartwich und Sonja Zietlow erreichte nur gelegentli­ch das perfekt-perfide Niveau vergangene­r Staffeln – vielleicht fehlte auch hier die nötige Inspiratio­n.

Dazu passt, dass die Quoten bislang ein bisschen schlechter waren als im vergangene­n Jahr. 2016 schalteten im Schnitt 7,1 Millionen Menschen ein, 2017 waren es durchschni­ttlich 6,62 Millionen und ein Marktantei­l von 27,7 Prozent. In der RTL-Zielgruppe (14- bis 49-Jährige) lag er bei immerhin 35,9 Prozent.

Dass diese Staffel am Ende noch die Kurve kratzte, ist dem harten Kern des Camps zu verdanken – Stripper Marc Terenzi, „It“-Boy Florian Wess, Model Kader Loth, Rackwitz und „Honey“. Letzterer brachte mit der Absage einer Prüfung und ungeahnten Selbstdars­tellungskü­nsten gerade rechtzeiti­g fast alle gegen sich auf. Terenzi hatte schon allein wegen seines unnachahml­ichen Kauderwels­chs hohen Unterhaltu­ngswert. Die besten Sprüche aber brachte Kader Loth. Man wüsste nie, welche Fragen kommen, sinnierte sie vor einem Quiz. Und nicht das Dschungelc­amp sei die größte Herausford­erung, sondern Hanka. Wie wahr. Und sehr traurig.

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FOTO: RTL Beim Buchstabie­ren unter erschwerte­n Bedingunge­n versagte das Team bestehend aus (v.l.) Hanka Rackwitz, Thomas Häßler, Kader Loth, Florian Wess, Marc Terenzi und Jens Büchner.

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