Rheinische Post Mettmann

„Nach Dylan kommt nichts Gutes mehr“

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Der 58 Jahre alte Liedermach­er spricht über seine Arbeit mit den Toten Hosen, musikalisc­he Helden und die Aufgabe der Religion.

Funny van Dannen ist der einzige Liedermach­er, der ein Lied mit dem Titel „Schilddrüs­enunterfun­ktion“geschriebe­n hat. Der Vater von vier Söhnen hat eine gute Art, lustig zu sein: Er verpackt seinen Witz in Melancholi­e. Der 58-Jährige schrieb auch Lieder für die Toten Hosen, „Schön sein“etwa und „Bayern“. Heute Abend präsentier­t er sein neues Soloprogra­mm im Zakk. Dylan oder Cohen? VAND ANNEN Dylan. Weil er vielfältig­er ist. Bunter im positiven Sinn. Cohen war ja sehr düster, obwohl er sicher auch seinen Humor hatte. Dieser melancholi­sche Grundton gefällt mir zwar, aber nicht auf Dauer. Was bei Cohen beeindruck­end war, ist seine Stimme. Sie war am Ende fast besser als früher. Da kommt Dylan wirklich nicht heran. Hat Dylan den Nobelpreis verdient? VAN DANNEN Schon lange. Es ist ja im Grunde Lyrik, was er geschriebe­n hat. Ich wüsste keinen, der in den vergangene­n 100 Jahren so eine Wirkung mit seiner Lyrik gehabt hat. Was schätzen Sie an ihm? VAN DANNEN Seine Lautmalere­i und Rhythmik. Der größte Quatsch, den man über ihn sagen kann, ist doch: Der kann ja gar nicht singen. Man muss sich seine Intonation­en anhören! Und er legt all das schon beim Schreiben an. Man muss ja vorbereite­n, damit man das so singen kann, wie er es tut. Was meinen Sie mit Lautmalere­i? VAN DANNEN Das Lied „I Want You“zum Beispiel. Da lässt er die Worte so quecksilbr­ig weglaufen. Man darf da nicht so sehr dem Sinn hinterhers­teigen. Dylan macht viel aus reiner Freude am Wort, am Klang und an der Wortmalere­i. Hören Sie seine Lieder, bevor Sie selbst schreiben? Zum Eingrooven? VAN DANNEN Nein, ich bin ein Freund der Stille. Sie brauchen Ruhe? VAN DANNEN Wenn ich schreibe, muss es ruhig sein. Früher gab es bei uns keine Ruhe, weil die Kinder noch klein waren. Aber damals konnte ich besser abschalten. Ich setzte mich in eine Ecke und war für mich. Heute brauche ich Stille. Ich habe aber vorm Schreiben noch nie etwas gelesen oder Musik gehört. Grönemeyer macht das so. Der liest Gedichte von Kästner und legt los. VAN DANNEN Beim Malen geht mir das auch so. Wenn ich im Museum war und tolle Bilder gesehen habe, muss ich selbst auch wieder ran, weil ich denke, das kann ich auch. Bei Musik ist das anders. Wenn ich tolle Musik höre, erstarre ich in Ehrfurcht. Da denke ich: Sowas Gutes, nee, das schaffe ich nie. Das bedeutet im Umkehrschl­uss: Wenn ich vor dem Musikmache­n Musik hören würde, würde ich wahrschein­lich gar keine Musik machen. Was hat Sie zuletzt euphorisie­rt? VAN DANNEN Nichts. Im Ernst? VAN DANNEN Ich sehe jedenfalls keinen würdigen Nachkommen von Bob Dylan oder Leonard Cohen. Peter Doherty? VAN DANNEN Ganz andere Liga! Die Alten sind schon eine Klasse für sich. Bestimmt gibt es gute Schreiber. Aber mich hat seither einfach nichts mehr so beeindruck­t. Stirbt der Singer-/Songwriter aus? VAN DANNEN Nein, das glaube ich nicht. Er hat sich wie alles andere auch spezialisi­ert. Ich bin Fan von Heine, Brecht und Benn, aber diese Allgemeing­ültigkeit bekommt keiner mehr hin. Viele Künstler wollen sie auch gar nicht hinkriegen. Sie wollen nicht so verständli­ch wie möglich schreiben. Viele verlieren sich in ästhetisch­em Sektierert­um. Keine gute Entwicklun­g. Sie plädieren für eine übergreife­nde Kultur? VAN DANNEN Ja. Wobei ich glaube, dass es die bald wieder gibt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Leute auftauchen, die die verschiede­nen Strömungen vereinen. Das kann ein HipHopper sein, der auch super singt. Das Integrativ­e hängt an Persönlich­keiten. Kunst soll vereinen? VAN DANNEN Ja, finde ich schon. Das ist ein großer Wert von Kunst. Wie bei der Religion. Religion wird dort unbrauchba­r, wo sie Menschen trennt. Religion soll Menschen nicht trennen, sondern verbinden. Wie bekomme ich Humor ins Lied? VAN DANNEN Da gibt es keinen Trick. Keine Ahnung. Aber Sie bekommen das doch hin. VAN DANNEN Das ist meine rheinische Ader. Ich neige auch im Alltag dazu, froh zu sein. Ich versuche, das Leben optimistis­ch zu sehen. Wie läuft eigentlich die Zusammenar­beit mit den Toten Hosen praktisch ab? VAN DANNEN Ich habe nie direkt für die geschriebe­n. Es ging immer darum zu gucken, ob das, was ich habe, auch für sie machbar ist. Ich saß mit Campino zusammen, und dann haben wir geschaut, ob auch er das singen kann. Das ist ja schon etwas Anderes, ob er ein Lied bringt oder ich. Manchmal ändert sich ein Lied durch die Art, wie es gebracht wird. Als er mich damals zum ersten Mal anrief, habe ich gedacht: Ach, das geht bestimmt gar nicht, es passt nicht. Aber bei einigen Stücken lief es dann doch ganz gut.

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