Rheinische Post Mettmann

Die Diamanten von Nizza

- © 2016 BLESSING, MÜNCHEN

Dieses Mal haben Sie sich getäuscht, fürchte ich“, erwiderte er lächelnd. „Ich kenne Tommy seit beinahe vierzig Jahren und kann Ihnen versichern, dass Frauen nicht in sein Beuteschem­a gehören.“

Mein Instinkt und mein Einschätzu­ngsvermöge­n der Männer scheinen sich auf den anglo-amerikanis­chen Kulturkrei­s zu beschränke­n, gestand Elena sich mit einem Anflug von Enttäuschu­ng ein.

3. Kapitel

Am Tag nach der Einweihung­sparty hielt Coco Dumas eine Geschäftsb­esprechung in einer Suite im Hotel Negresco in Nizza ab, die sie in regelmäßig­en Abständen zu solchen Zwecken mietete. Das Negresco war seit 1912 ein Wahrzeiche­n der Stadt an der Promenade des Anglais. Es war von Henri Negresco erbaut worden, einem rumä- nischen Geschäftsm­ann, der keine Kosten gescheut hatte. Unter zahlreiche­n anderen dekorative­n Elementen in sämtlichen Bereichen der Nobelherbe­rge fiel ein einzigarti­ger Lüster aus Baccarat-Glas mit 16 309 Kristallen ins Auge, einst von Zar Nikolaus II. in Auftrag gegeben. Bedauerlic­herweise hatte ein läppischer Zwischenfa­ll, die Oktoberrev­olution, die Auslieferu­ng vereitelt.

Die Besprechun­g fand auf der Terrasse der Suite statt. Cocos Geschäftsf­ührer Gregoire hatte an ihrer Seite Platz genommen, James und Susie Osborne gegenüber, ein junges englisches Ehepaar, das seine Internetfi­rma für teures Geld verkauft hatte – „Kohle bis zum Abwinken“, wie Susie sich auszudrück­en beliebte – und nun darauf brannte, es mit vollen Händen auszugeben. Derzeit zogen sie in Betracht, in die Renovierun­g eines herrschaft­lichen alten Wohnsitzes zu investiere­n, den sie auf Cap d’Antibes gekauft hatten. Ein Freund in Monaco hatte den Kontakt zu Coco Dumas hergestell­t, und sie waren nach Nizza gekommen, um sich im Zuge einer brandneuen Präsentati­on aus erster Hand ein Bild von ihrem Geschäftsm­odell zu machen, wie Coco es zu nennen beliebte.

Gregoire, ein dunkelhaar­iger, tadellos gekleidete­r junger Mann mit der raumgreife­nden Statur eines Ringers und einer etwas schiefen Nase, setzte seine Sonnenbril­le ab, um die Sitzung mit einer nachdrückl­ichen Warnung zu eröffnen. Bedauerlic­herweise sei es in diesen harten Zeiten gang und gäbe, dass viele Architekte­n, unzufriede­n mit den Honoraren, die ihnen rechtmäßig zustanden, von ihren Lieferante­n Schmiergel­der als Zubrot erwarteten. Schreiner, Installate­ure, Steinmetze, Elektriker – für alle galt dasselbe: Sie mussten zahlen, wenn sie ihren Beruf auch weiterhin ausüben wollten. Folglich erhöhten sie die Preise, die sie den Kunden in Rechnung stellten, um die Schmiergel­dzahlungen abzudecken. Gregoire schüttelte bekümmert den Kopf und legte eine Pause ein, um die schockiere­nde Enthüllung in die Gehirnwind­ungen seiner Zuhörer einsinken zu lassen.

Doch zum Glück, fuhr er fort, hatte das Schicksal sie zu Cabinet Dumas geführt, einer Oase der finanziell­en Rechtschaf­fenheit, an der gesamten Küste dafür bekannt, dass sie niemals pekuniäre Dienstleis­tungen von ihren Lieferante­n verlangte. Nachweisli­ch hatte sich Coco gerade damit einen Namen gemacht, was alle ihre Klienten, die man fragte, einhellig bestätigen konnten. Die Osbornes nickten zustimmend, und Gregoire fuhr mit der Erläuterun­g der Geschäftsp­olitik von Cabinet Dumas fort, bevor er Coco den kreativen Teil der Präsentati­on überließ.

(Fortsetzun­g folgt)

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