Rheinische Post Mettmann

MEIN DÜSSELDORF

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Alternativ­e Fakten ernst nehmen

Reden wir mal von Missverstä­ndnissen, gepaart mit Ignoranz und dem Mangel an der Fähigkeit und dem Willen, sich in das Denken anderer Menschen oder deren Lebensreal­ität zu versetzen. Um dafür Beispiele zu finden, müssen wir nicht nach Berlin, Brüssel oder gar in Trump’s own Country schauen und uns über Fake-News oder alternativ­e Fakten Gedanken machen. Beispiele dafür gibt es bei uns auch, direkt vor der Haustür. Wir beschreibe­n hier drei Fälle, jeder mit hohem Potenzial fürs Haareraufe­n.

Angesichts nach wie vor hier ankommende­r (wenn auch weniger starker) Flüchtling­sströme ist eine Stadt wie Düsseldorf verpflicht­et, sich zu kümmern. Dass sie dabei nicht Geld von rechts (für Kitas oder Senioren-Treffs) nach links (für Flüchtling­sunterkünf­te) bewegen kann, wollen zwar einige nicht verstehen, ist aber dennoch gesetzlich­e Tatsache. Leider ist aber genauso wahr, dass sie ungeschick­t vorgeht. Eine kleine Kommune im Sauerland macht vor, wie man es besser angeht: Altena, seit Jahren schrump- siv an. Unter anderem bringt man die Menschen nicht an einigen wenigen Punkten zentral und massiert unter, sondern verteilt sie über die ganze Stadt.

Gewiss, in einem Ort mit ausreichen­d freiem Wohnraum kein Problem, in Düsseldorf ist die Lage eine andere. Aber ein Standort für ein Flüchtling­sheim wie beispielsw­eise Hubbelrath ist so abgelegen, dass er es den dort Lebenden schwermach­t, städtische­s Leben in Deutschlan­d kennzulern­en. Das werden manche („Hauptsache, die sind weit weg!“) nicht schlecht finden, aber einer Integratio­n dient es nicht. Und: In der Nähe Wohnende, mit Blick auf ihre schicken Häuser und in Angst um die Grundstück­spreise ursprüngli­ch strikt gegen diese Unterkunft, werden mit Argumenten munitionie­rt. Zurecht können sie nun erklären, es gehe ihnen nur um den schlecht erreichbar­en Standort, der sei unzumutbar für die dort Untergebra­chten – und man muss ihnen zustimmen, obwohl man ahnt, was sie wirklich antreibt.

In Lörick ist es ähnlich. Die Bauten dort, aufwändig gestylt, schön anzusehen und insgesamt angeblich 17 Millionen Euro teuer, stehen noch leer, aber besorgte Nachbarn kritisiere­n die Lage derzeit wegen des Zugangs zu dem Heim über eine stark befahrene Straße.

Viel zu gefährlich, besonders für Kinder, argumentie­ren sie. Stimmt, wer die Ecke kennt, kann das nur bestätigen. Einige von denen, die jetzt angeblich voller Sorgen sind, haben jedoch seinerzeit bei den Info-Veranstalt­ungen sichtlich empört ihre grundsätzl­iche Ablehnung verkündet. Erfolg hatten sie so oder so nicht: Die Häuser für mehrere hundert Flüchtling­e wurden gebaut, und der Eingang mündet direkt in die stark befahrene Oberlörick­er Straße.

Drittes Beispiel: Der Gipfel der Diskrepanz zwischen formaljuri­stischer und erlebter Realität ist die Diskussion um Geld für einen Rasenmäher. Den will und muss der feine Golf-Club Hubbelrath kaufen, und er hat aufgrund irgendwelc­her städtische­r Regelungen Anspruch auf einen Zuschuss zu dieser Maschine. Die Summe liegt hoch im fünfstelli­gen Bereich – und fast wäre dieses Stück aus dem Tollhaus ohne großes Aufsehen eingeputte­t worden. Aber weil einer der Beteiligte­n wohl die soziale Schieflage der Argumente erkannte, wurde der Fall öffentlich. Was sich offenbar keiner der vorher hatte vorstellen können, passierte – die Empörung war groß: Golf-Club (ergo: reich!), will auf Kosten des Steuerzahl­ers seine Greens pflegen und schämt sich nicht (Gier!) einen Zuschuss zu beantragen. Da konnte der wackere Vorstand noch so viel von sozialem Engagement und Jugendarbe­it erzählen und betonen, man sei keineswegs elitär – ein Shitstorm mit der Intensität des Beifalls bei einem Hole-in-one brach los. Dass man, um die Volksnähe zu betonen, eine einmalige Aufnahmege­bühr von 1500 Euro als nicht übertriebe­n einstufte, bewies zusätzlich, wie wenig der Club offensicht­lich wirklich weiß von jenen, die mit viel weniger pro Monat auskommen müssen.

Das alles sind keine Fake-News, sondern ist Teil einer anderen Wirklichke­it. Man könnte auch sagen: alternativ­e Fakten. Oft ist es gut, wenn man sie kennt und ernst nimmt.

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