Rheinische Post Mettmann

Später Erfolg mit fadem Beigeschma­ck

- VON STEFANI GEILHAUSEN VON MATTHIAS BEERMANN VON LOTHAR SCHRÖDER

In der Haut der einstigen Soko-Leute möchte man nun wirklich nicht stecken. 60, 70 erfahrende Kriminalis­ten waren im Jahr 2000 rund um die Uhr im Einsatz, um den feigen Anschlag am S-Bahnhof zu klären. Und sie hatten ja das richtige Gespür: Nach einer knappen Woche hatten sie den Mann gefasst, der jetzt, 16 Jahre danach, in UHaft sitzt – nachweisen konnten sie ihm die Tat damals aber nicht. Dabei war es jetzt keine geheimnisv­olle Technologi­e, auch kein wundersame­r DNA-Beweis, der das neue Ermittlert­eam zum Erfolg geführt hat, sondern altmodisch­e Polizeiarb­eit, das hartnäckig­e und gründliche Zusammentr­agen winziger Puzzle-Teile. Und sicher auch ein Quäntchen Glück.

Dem späten Ermittlung­serfolg haftet deshalb ein fader Beigeschma­ck an. Die Frage etwa, ob dieselben Indizien, die vor 16 Jahren nicht für einen dringenden Tatverdach­t gegen den heute Beschuldig­ten ausreichte­n, jetzt in einem Prozess bestehen können. Und natürlich die Frage, warum der frühe Verdacht auf einen Täter aus dem rechtsextr­emen Umfeld nicht auch früher zu einer Verhaftung führte. Die Wehrhahn-Akte wird um den Untersuchu­ngsausschu­ss im Landtag wohl nicht herumkomme­n, dem sie mit Rücksicht auf die Ermittlung­en bislang verschloss­en blieb. BERICHT NEONAZI SOLL WEHRHAHN-BOMBER SEIN, TITELSEITE

EKlartext bei Erdogan

s ist nicht jeden Tag lustig, Bundeskanz­lerin zu sein. Heute zum Beispiel möchte man nicht in Angela Merkels Haut stecken, wenn sie dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan ihre Aufwartung macht. Der hat sein Land seit dem gescheiter­ten Putschvers­uch im Sommer in atemberaub­endem Tempo zu einer Autokratie umgebaut. Jetzt steht er kurz vor seinem großen Ziel, die zusammenge­raffte Macht durch eine Verfassung­sänderung legalisier­en zu lassen. Im April steht dazu eine Volksabsti­mmung an. Merkels Besuch, ob sie das will oder nicht, wird von Erdogan als Signal ihrer Unterstütz­ung für seine Politik ausgeschla­chtet werden.

Es sei denn, die Bundeskanz­lerin spricht öffentlich und in aller Schärfe die Probleme an: die Gleichscha­ltung von Medien und Justiz durch Erdogan, seinen Rachefeldz­ug gegen Andersdenk­ende, die Missachtun­g von Menschenre­chten. Vor allem aber auch die skandalöse­n Spitzel-Aufrufe an Ditib-Imame in Deutschlan­d. Offene Worte sind gefragt – trotz der türkischen Drohung, den Flüchtling­spakt zu kündigen. Wir haben uns lange genug erpressen lassen. BERICHT MERKEL ERNTET KRITIK . . ., TITELSEITE

Mutige Bischöfe

Die Deutschen haben schon bei der Familiensy­node eine starke Rolle gespielt. Jetzt legen sie nach und bestärken Papst Franziskus in seinem Reformkurs. Dabei geht es um geschieden­e Katholiken, die zivil erneut heirateten und nach Meinung ihrer Kirche somit in ewiger Sünde leben. Doch in Einzelfäll­en soll ihnen vor Ort die Chance gegeben werden, am Abendmahl teilzunehm­en. Das hat Franziskus in seinem Apostolisc­hen Schreiben so erklärt (zum Unmut der Konservati­ven); und so haben es nun auch unsere Bischöfe betont.

Hand aufs Herz: In der pastoralen Praxis dürfte dies längst und vielerorts geschehen. Wer weist schon einen Gläubigen vom Tisch des Herrn zurück? Dennoch ist das deutsche Bischofswo­rt nachhaltig: Es ist theologisc­h eine Herausford­erung, ökumenisch eine Einladung und zudem ein Schritt zur Selbstbest­immung. Die Ortskirche­n werden souveräner – auf Kosten des römischen Zentralism­us. Auch darum hat die Kurie gestern flugs reagiert, scharf und verärgert über die Deutschen. Na und? Die Freude bleibt bei den Menschen: Denn ihre Kirche lebt und ist an ihrer Seite. BERICHT BISCHÖFE ÖFFNEN KOMMUNION . . ., TITELSEITE

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