Rheinische Post Mettmann

Streit um Frauenförd­erung

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Eigentlich hätte der Düsseldorf­er Finanzbeam­te, nennen wir ihn Andreas P., schon im September 2016 befördert werden sollen. So stand es auf seiner Beförderun­gsliste – und darauf war bisher immer Verlass. Doch dann kam die Dienstrech­tsnovelle der rot-grünen Landesregi­erung dazwischen, die dazu beitragen soll, den Frauenante­il in Führungspo­sitionen der Landesverw­altung zu erhöhen. Auf einmal sollte eine Kollegin den höheren Posten bekommen, die aufgrund ihrer Beurteilun­g „im Wesentlich­en gleich“gut geeignet war. Bis dahin mussten Frauen die „gleiche Eignung“vorweisen. Andreas P. wartet nun vergeblich auf seine Beförderun­g.

Viele Beamte in Nordrhein-Westfalen machen zurzeit dieselbe Erfahrung. Mehr als 60 von ihnen haben gegen das neue Gesetz geklagt, weil sie sich benachteil­igt sehen. Sechs dieser Klagen wurden bisher nach Angaben der Landesregi­erung bis Anfang Januar von Gerichten entschiede­n, die Kläger bekamen Recht. Allerdings nur vorläufig: Im Eilverfahr­en und auch nur in erster Instanz. In den nächsten Tagen könnte es spannend werden. Noch im Februar wird im Eilverfahr­en erstmals die Entscheidu­ng einer höheren Instanz erwartet, und zwar des Oberverwal­tungsgeric­hts in Münster. Die Entscheidu­ng in der Sache steht aber aus und könnte noch länger auf sich warten lassen.

Für ihr neues Gesetz zur Frauenförd­erung musste die Landesregi­erung viel Kritik einstecken. FDP-Fraktionsc­hef Christian Lindner kritisiert­e, mit der Formulieru­ng „bei im Wesentlich­en gleicher Eignung“werde der Leistungsg­rundsatz durchbroch­en. „Im Wesentlich­en gleich“meint Folgendes: Mitarbeite­r etwa in der Finanzverw­altung werden nach Noten und Punkten beurteilt. Für die Note „sehr gut“gibt es Punkte zwischen 41 und 44. Nach altem Recht wurden Frauen bei Punktgleic­h- heit bevorzugt befördert. Nach neuem Recht werden Frauen bevorzugt, die die Note „sehr gut“erreichen, auch wenn der Mann ein oder zwei Punkte mehr hat.

Die FDP will eine Klage vor dem Landesverf­assungsger­icht anstrengen. Dafür bräuchte sie aber die Unterstütz­ung anderer Fraktionen. Doch CDU-Fraktionsc­hef Armin Laschet will sich auf einen solch langwierig­en Weg nicht einlassen. Dagegen ist die Landesregi­erung entschloss­en, das Gesetz zu verteidige­n, wenn nötig bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f. Tatsächlic­h ist die Lage rechtlich nicht so eindeutig, wie es die ersten Gerichtsur­teile der unteren Instanzen vermuten lassen. Die Landesregi­erung kann sich auf ein umfassende­s Rechtsguta­chten des früheren Präsidente­n des Bundesverf­assungsger­ichts, Hans-Jürgen Papier, stützen, das sie zuvor in Auftrag gegeben hatte.

Grundlage für jegliche Form der Frauenförd­erung in Deutschlan­d ist das Grundgeset­z. In Artikel 3 heißt es nämlich nicht nur: „Männer und Frauen sind gleichbere­chtigt.“Sondern auch: „Der Staat fördert die tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung und wirkt auf die Beseitigun­g bestehende­r Nachteile hin.“Dieser Auftrag dient Papier zufolge „in erster Linie der Herstellun­g gleicher Erwerbscha­ncen“.

Dass die Berufschan­cen in der Landesverw­altung noch immer recht ungleich verteilt sind, belegen Statistike­n, mit denen auch Papier argumentie­rt. Dem Gleichstel­lungsberic­ht der Landesregi­erung zufolge (Stichtag 31.12. 2012) arbeiten zwar mit 58,7 Prozent insgesamt überdurchs­chnittlich viele Frauen im Landesdien­st. Im höheren Dienst aber sind demnach Frauen in allen Teilbereic­hen der Landesverw­altung bis auf Schulen in der Minderzahl. Für den Bereich der Polizei inklusive ihrer inneren Verwaltung gilt das schon für den gehobenen Dienst. Und gerade

„Der Staat fördert die

tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung“

Art. 3, Abs. 2 Grundgeset­z

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