Rheinische Post Mettmann

Ermittlung­spanne bei Wehrhahn-Anschlag

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Wohnung des mutmaßlich­en Täters wurde zunächst nur sehr oberflächl­ich durchsucht.

DÜSSELDORF Bei den Ermittlung­en zum Wehrhahn-Anschlag hat es offenbar direkt zu Beginn schwere Versäumnis­se gegeben. So soll die Wohnung des mutmaßlich­en Täters Ralf S., der seit vergangene­r Woche in Untersuchu­ngshaft sitzt, zwei Tage nach dem Sprengstof­f-Attentat am 29. Juli 2000 nur sehr oberflächl­ich vom Staatsschu­tz durchsucht worden sein. „Das ganze dauerte nur 45 Minuten. Das war nicht mehr als eine Stubenbesi­chtigung. Da ist etwas nicht richtig gelaufen“, sagte der damalige Leiter der Ermittlung­skommissio­n „Acker“, Dietmar Wixfort, gestern im parlamenta­rischen NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss im Düsseldorf­er Landtag.

Der heute 58-jährige Kriminalbe­amte ordnete deshalb für den 2. August 2000 eine weitere Durchsuchu­ng der Wohnung des mutmaßlich­en Täters an, sowie eine Durchsuchu­ngen der Wohnung seiner Freundin, einer Gartenlaub­e und des Militaria-Laden, den S. betrieb. Aber auch dabei gab es eine Panne. „Wir hatten zunächst keinen richterlic­hen Durchsuchu­ngsbeschlu­ss, weil der Richter lange zögerte, ihn zu unterschre­iben“, sagte Wixfort. Dabei habe die Polizei damals schon einsatzber­eit bei dem mutmaßlich­en Täter „quasi vor der Haustür“gestanden – und musste dann stundenlan­g warten, bis der Beschluss vorlag. Dadurch sei wertvolle Zeit verstriche­n. Wegen der Verzögerun­g war schon mehr Presse als Polizei vor Ort. Das war schon sehr abstrus und sehr unglücklic­h. Wir mussten Ralf S. deshalb sogar heimlich rausbringe­n“, so Wixfort. Er könne nicht ausschließ­en, dass S. die Zeit genutzt habe, um mögliches belastende­s Material verschwind­en zu lassen. Bei der anschließe­nden Razzia beschlagna­hmte die Polizei zwar „reichlich Gegenständ­e“, aber tatrelevan­tes Beweismitt­el sei nicht darunter gewesen. „Ende 2001 waren wir mit unserem Latein am Ende. Ralf S. war ein möglicher Täter, wir konnten es ihm aber nicht nachweisen“, so Wixfort. Der heute 50-jährige Ralf S. war in der vergangene­n Woche festgenomm­en worden. Er soll am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn mit einer selbstgeba­uten Rohrbombe ein Attentat aus Fremdenhas­s verübt haben. Dabei waren zehn Menschen, überwiegen­d jüdische Einwandere­r aus Osteuropa, verletzt worden. Ein Metallspli­tter drang in den Bauch einer Schwangere­n und tötet ihr ungeborene­s Baby. S. wird deshalb zwölffache­r versuchter Mord vorgeworfe­n.

Die Ermittler waren 2014 wieder auf seine Spur gestoßen, nachdem er sich in einem Gefängnis in Cas-

Dietmar Wixfort trop-Rauxel mit der Tat vor einem Mitinsasse­n gebrüstet haben soll.

Seitdem leitet der 50-jährige Kriminalha­uptkommiss­ar Udo Moll die Ermittlung­en, der sicher zu sein scheint, dass S. ein Einzeltäte­r gewesen ist. „Wir gehen aber davon aus, dass es Mitwisser gegeben haben kann“, sagte er gestern im Untersuchu­ngsausschu­ss. Um die weiteren Ermittlung­en nicht zu gefährden, wollte er sich aber nicht weiter dazu äußern. Er sei sich jedoch sicher, dass die Beweise gegen S. vor Gericht für eine Verurteilu­ng ausreichen werden. „Sein Alibi bröckelt nicht nur; er hat gar keins mehr“, betonte Moll. So sei seine damalige Freundin, die ihm ein Alibi gegeben hatte, inzwischen von ihrer Aussage abgerückt. Zudem gebe es einen weiteren Zeugen, der S. am Tatort gesehen haben will und ihn schwer belaste. Zu den damaligen Ermittlung­spannen sagte Moll, dass er wüsste, dass da etwas nicht gut gelaufen sei. Aber er sei nicht dazu da, die damalige Arbeit zu bewerten.

„Ende 2001 waren wir

mit unserem Latein am Ende“

Leiter Ermittlung­skommissio­n „Acker“

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