Rheinische Post Mettmann

Koalition streitet über Griechenla­nd

- VON BIRGIT MARSCHALL WERTE FÜR 2016 UND 2017 PROGNOSTIZ­IERT | QUELLE: IWF | FOTOS: DPA, THINKSTOCK | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Die SPD kritisiert Schäubles harten Kurs und fordert Kanzlerin Merkel auf, ihren Finanzmini­ster zu bremsen. Die Union pocht auf die finanziell­e Beteiligun­g des Internatio­nalen Währungsfo­nds am Rettungspr­ogramm, doch die ist offen.

BERLIN Die SPD hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (beide CDU) aufgeforde­rt, gegenüber Griechenla­nd einen weniger konfrontat­iven Kurs zu fahren. „Was Herr Schäuble macht, ist riskant“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Carsten Schneider. „Er macht ohne Not ein neues PleiteSzen­ario für Griechenla­nd auf“, sagte der Finanzpoli­tiker. „Eine weitere Eskalation liegt gerade jetzt nicht im Interesse Europas, das weiß auch Bundeskanz­lerin Merkel. Sie muss deshalb sicherstel­len, dass Herr Schäuble in der Eurogruppe und im ESM eine abgestimmt­e Auffassung vorträgt“, sagte Schneider.

Griechenla­nd rückt erneut auf die politische Agenda, weil es in den Monaten bis Juni mehrere Milliarden Euro an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) zurückzahl­en muss. Die Auszahlung weiterer Hilfsmilli­arden aus dem laufenden, dritten Rettungspr­ogramm hängt jedoch in der Luft. Denn die Geldgeber wollen erst dann frisches Geld überweisen, wenn ihnen ein abgestimmt­er Bericht der EZB, der EU-Kommission und des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) darüber vorliegt, ob Griechenla­nd seine Schulden langfristi­g wird selbst tragen können.

Ob sich der IWF weiter am Programm beteiligt, wird in Washington endgültig erst auf der Basis dieses Berichts entschiede­n, der sich seit Monaten hinauszöge­rt, weil Athen zu wenig kooperiert. Schäuble und die Union pochen aber darauf, dass der IWF finanziell an Bord bleibt. Das sei Beschlussl­age der Euro-Gruppe. Der Bundestag habe seine Zustimmung im August 2015 zum Rettungspr­ogramm nur unter dieser Bedingung gegeben. Sollte der IWF sich nicht mehr beteiligen, so Schäuble, sei das dritte Rettungspr­ogramm beendet. Dann müsse ein viertes völlig neu ausgehande­lt und erneut vom Bundestag gebilligt werden. „Die IWF-Beteiligun­g ist unabdingba­r. Wenn er sich nicht beteiligt, ist das eine wesentlich­e Programmän­derung. Dann wird es eine weitere Bundestags­abstim-

(42), Griechisch­er Premiermin­ister mung über ein neues Programm geben müssen“, erklärte auch Eckhardt Rehberg, der haushaltsp­olitische Sprecher der Unionsfrak­tion.

Zwar widersprac­h der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags der rechtliche­n Auffassung Schäubles, doch ist dies insofern unerheblic­h, als dass am Ende ohnehin die politische Entscheidu­ng der Regierungs­spitze ausschlagg­ebend sein wird. Schäuble versucht derweil den Druck auf Athen zu erhöhen, indem er damit droht, dass eine Bundestags­mehrheit für ein neues Programm ohne den IWF im Wahljahr 2017 wohl kaum zustande käme.

„Wir brauchen die Expertise des IWF, aber seine finanziell­e Beteiligun­g am Rettungspr­ogramm ist nicht zwingend notwendig“, sagte demgegenüb­er SPD-Politiker Schneider. Denn das laufende Programm „ist ohne den IWF finanziert“, so Schneider. „Außerdem braucht Frau Merkel Griechenla­nd als Partner in der Flüchtling­skrise.“

Anders als Schäuble ist der IWF der Auffassung, dass die Sparauflag­en für Griechenla­nd zu streng sind. Bisher verlangen die Geldgeber einen so genannten Primärüber­schuss im Staatsetat – das ist der Überschuss ohne fällige Zinszahlun­gen – von 3,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) in den kommenden Jahren. Das ließe sich aber nur mit weiteren Ausgabenkü­rzungen und deutlichen Verbesseru­ngen beim Eintreiben von Steuern erzielen. Eine Mehrheit der IWF-Direktoren will die Vorgabe auf 1,5 Prozent des BIP senken. Allerdings gab es in einer Sitzung am Montagaben­d auch einige IWF-Direktoren, die für die strengere Vorgabe plädierten.

Die (öffentlich­e) Schuldenla­st von 179 Prozent des BIP sei nicht tragfähig, heißt es in einem neuen IWFLänderb­ericht über Griechenla­nd. Die Europäer müssten daher Schuldener­leichterun­gen gewähren. Schäuble ist jedoch strikt dagegen. Das würde Griechenla­nd in den kommenden Jahren gar nicht helfen, weil es erst ab 2023 Schulden tilgen müsse. Der IWF betrachtet jedoch stets die gesamte Laufzeit der Kredite – und die erstreckt sich auf die Zeit bis 2060.

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