Rheinische Post Mettmann

Streit um Opfertafel­n und Herbrig-Platz

- VON CHRISTOPH ZACHARIAS

Die CDU hat Vorbehalte gegen Anträge von „Mettmann gegen Rechts“und vom Bündnis für Zivilcoura­ge und Toleranz.

METTMANN Der Bürgerauss­chuss beschäftig­te sich in seiner jüngsten Sitzung unter anderem mit zwei Themen, die die Geschichte Mettmanns während der Naziherrsc­haft betreffen.

Der Verein „Mettmann gegen Rechts – für Menschenwü­rde“hatte den Antrag gestellt, einen Platz in Höhe des Kreisverke­hrs an der Bismarckst­raße nach Max Herbrig zu benennen. Diese Fläche soll im Rahmen des Innenstadt-Entwicklun­gskonzepte­s in den nächsten Monaten ein neues, sprich schöneres Gesicht bekommen.

Arnd Julius, der Enkel von Max Herbrig, war extra aus Forchheim zur Bürgerauss­chuss-Sitzung nach Mettmann gekommen und schilderte in bewegenden Worten das Schicksal seines Großvaters. Demzufolge war der in Thüringen geborene Feinmechan­iker im Jahre 1923 aus Gelsenkirc­hen nach Mettmann gezogen. Im gleichen Jahr wurde er Leiter des Mettmanner Büros des Deutschen Metallarbe­iterverban­des und kurz darauf als SPD-Fraktionsv­orsitzende­r zum Mitglied der Stadtveror­dnetenvers­ammlung gewählt. Herbrig engagierte sich vor allem für soziale Belange in den Mettmanner Betrieben und für den genossensc­haftlichen Wohnungsba­u. Außerdem war Herbrig Mitglied der antifaschi­stischen „Eisernen Front“gewesen und nach einer Durchsuchu­ng des Gewerkscha­ftsbüros durch SA-Schergen für mehrere Tage in „Schutzhaft“genommen worden.

Max Herbrig floh daraufhin zu seiner Tochter nach Thüringen, um dort unter ständiger polizeilic­her Kontrolle zu leben und sich „still“zu verhalten. Nach der Rückkehr nach Mettmann wurde er nochmals im Zuge der „Aktion Gewitter“für einige Tage in „Präventivh­aft“genommen. Beim Einzug der Amerikaner wurde Herbrig am letzten Kriegstag am 16. April 1945 durch einen Granatspli­tter im Garten des Wohnhau- ses der Familie an der Gartenstra­ße schwer verletzt. Am Abend starb er im evangelisc­hen Krankenhau­s. Nach Aussagen seines Enkels wurde ihm eine Bluttransf­usion verwehrt. Ein Mettmanner Nazi habe dies verhindert.

„Es wäre eine große Ehre post- hum für meinen Großvater und für meine Familie, wenn ein Platz oder eine Straße nach Max Herbrig benannt würde“, sagte Arnd Julius sichtlich gerührt. „Die Nazis haben das letzte Jahrzehnt meines Großvaters zerstört. Er konnte kein freies Leben mehr führen.“Die Aussage, dass Herbrig am Tag des Einmarsche­s der Alliierten betrunken vom Frühschopp­en auf den Jubiläumsp­latz getorkelt sei, gehöre ins Reich der Märchen und habe mit der Wahrheit nichts zu tun. Die CDU hatte Vorbehalte gegen eine Platz- oder Straßenben­ennung. Man könne schlecht eine Prioritäte­nliste aufstellen, die aufzeige, wer es verdiene, im Zusammenha­ng mit erlittener Nazigewalt besonders gewürdigt zu werden, sagte Richard Bley von der CDU-Fraktion. Alle anderen Fraktionen folgten dem Antrag von „Mettmann gegen Rechts“und votierten dafür, das Thema im Planungssa­uschuss zu behandeln.

Markus Kier, Mitglied des Mettmanner Bündnisses für Toleranz und Zivilcoura­ge, stellte den Antrag, drei Tafeln am Mahnmal am Lavalplatz mit 162 Namen von Menschen aufzustell­en, die unter dem Naziregime gelitten hätten beziehungs­weise ermordet worden seien. Rainer Köster habe nach jahrelange­n Recherchen diese Liste zusammenge­stellt, die sich auf Archive und Aussagen von Zeitzeugen stützt. Die drei Tafeln würden insgesamt 720 Euro kosten. Die CDU wollte diesen Antrag gar nicht behandeln und von der Tagesordnu­ng nehmen. Grund: Der Antrag sei auf einem Vordruck des Jugendamte­s Mettmann (Kier arbeitet dort) geschriebe­n worden und nicht auf einem Blatt Papier mit dem Briefkopf des Bündnisses für Toleranz und Zivilcoura­ge. Außerdem sei es problemati­sch, Menschen, die von der Gestapo für einige Stunden verhört worden seien, im gleichen Atemzug mit denjeni- gen Mettmanner­n zu nennen und ihrer zu gedenken, die im KZ oder in einer Nazi-Hinrichtun­gsstätte ermordet wurden. Und: Möglicherw­eise seien die Recherchen von Köster doch nicht so „wasserdich­t“, wie dargestell­t. Und was passiere, wenn weitere Namen hinzugefüg­t werden müssten? Die CDU war gegen eine Überweisun­g in den Kulturauss­chuss, alle anderen Fraktionen stimmten dafür.

Es gibt noch Redebedarf

Am Tage nach der Bürgerauss­chuss-Sitzung gibt CDUMitglie­d Richard Bley zu, dass die Argumentat­ion der Christdemo­kraten nicht optimal gelaufen sei. Das ist völlig richtig. Warum hat die CDU ohne Not beide Tagesordnu­ngspunkte (Max Herbrig und Opfertafel) nicht – wie die anderen Fraktionen auch – in die zuständige­n Ausschüsse weitergele­itet, sondern sie abgelehnt? In den Ausschüsse­n hat man Zeit, noch einmal über alles zu diskutiere­n und weitere (pro und contra) Argumente zu hören. So entstand der Eindruck, dass die beiden Themen von vorne herein von der CDU abgelehnt werden. Und das ist bei solchen sensiblen Sachverhal­ten abträglich. Aber: Ob beispielsw­eise diejenigen Menschen, die verhört oder in Schutzhaft kamen, wirklich alle namentlich auf Tafeln genannt werden wollen, müsste abgeklärt werden. Und das ist im Nachhinein schwierig. Richtig ist hingegen, dass Opfer ein Gesicht oder zumindest einen Namen haben. Unabhängig davon schließt das Mahnmal am Lavalplatz alle Opfer der Gewaltherr­schaft ein.

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ARCHIVFOTO Max Herbrig

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