Rheinische Post Mettmann

Künstler macht sein Atelier zum Treffpunkt

- VON VALESKA VON DOLEGA

Viele Wege führen nach Nussbaum. Dort lebt und arbeitet der Ratinger Künstler Yildirim Denizli. Jetzt bekam er Besuch von Mitglieder­n des jüdischen Kulturvere­ins „Schalom“.

RATINGEN Streng genommen ist er Maler und Bildhauer. Mit Materialie­n wie Holz und Glas kann er ebenso kreativ umgehen. Und musikalisc­h ist er auch: Yildirim Denizli ist tatsächlic­h, was so inflationä­r „Multitalen­t“genannt wird. Vor allem aber ist der Künstler mit den türkischen Wurzeln Brückenbau­er. Denizli gilt als einer der renommiert­esten Künstler der Region. Der Stadt Ratingen ist er so wichtig, dass er in städtische­n Objekten für wenig Miete leben und arbeiten kann.

„Austausch ist wichtig. Immer und überall“, fasst er kurz zusammen, warum er „versucht, Neues zu entdecken und an Neuem teilzunehm­en“. Dabei ist er nicht nur interessie­rt an anderen und anderem, bevorzugt öffnet er sein Atelier. Zuletzt bat er Flüchtling­e zu sich an die ehemalige Schule Nussbaum, jetzt bekam er Besuch von Mitglieder­n des jüdischen Vereins „Schalom“.

„Wir kennen uns seit Jahren“, bestätigt Vadym Fridman, zusammen mit Gregori Lisnowski Begründer des jüdischen Kulturvere­ins, der 2002 aus der Taufe gehoben wurde und jetzt sein 15-jähriges Bestehen feiert. Lange ist man bereits lose miteinande­r befreundet, jetzt kam der erste Atelierbes­uch zustande. Im Gepäck hatten die Gäste, darunter weitere Kulturfreu­nde wie Franz

Dem deutschen romantisch­en Dichter „Novalis“, der eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg hieß, schreibt man folgendes Zitat zu: „Jeder geliebte Mensch ist der Mittelpunk­t eines Paradieses.“Du gehst durch die Stadt und unvermitte­lt und unerwartet kommt dein Schatz um die Ecke. Ihr lauft euch geradezu in die Arme. Glück durchström­t dich, dein Gesicht strahlt und nimmt Gestik und Sprache vorweg. Ein Gedanke: jetzt kann der Nachmittag nur noch schön werden. Novalis nennt eine solche Situation Paradies. Auch wenn es auf der Erde angesiedel­t ist und um euch herum, der normale Alltag oder der normale Wahnsinn seinen Lauf nimmt.

Denn was um einen herum passiert, hat keine Bedeutung für euch. Wer hat es nicht schon mal erlebt, dass Verliebte irgendwo in einem Hauseingan­g, auf einer Parkbank oder wo immer auch sonst, so in ihr Gespräch vertieft sind, dass sie nichts zu stören imstande ist. Da stören kein Straßenlär­m und kein Regenguss. Im geliebten Menschen Naber vom Bienenzuch­tverein sowie die Lintorfer Heimatfreu­nde Manfred Buer und seine Frau Monika , einen jüdischen Kerzenleuc­hter, Wein und eine Ehrenpräsi­dentschaft­snadel. Die entpuppte sich als Vereinsnad­el und wurde dem 1946 in der ostanatoli­schen Stadt Erzurm geborenen Denizli an den Strickpull­i geheftet.

Wichtiger aber als alle offizielle­n Höflichkei­tsbekundun­gen bei Tee und Gebäck waren die Gespräche. „Er macht aus allem Kunst“, schwärmte Monika Buer über Yildi- kann man gar einen Engel sehen, wie Romeo in Julia. Man kann sich wie Romeo Gefahren aussetzen, um ein Stück dieses gefühlten Paradieses zu erleben. Obwohl ganz vom normalen Irdischen umgeben, verspricht es geradezu ein Probieren, ein Kosten am ewigen Leben. In einem solchen Moment fühlt man: so ist es gut. Aber – wie lange halten solche Zustände an, bis dass die „Vertreibun­g“aus dem Paradies erfolgt? Der Sinologe Wolfgang Bauer gibt uns einen Hinweis: „Alle Paradiese sind verlorene Paradiese, die in ferner Vergangenh­eit, in ferner Zukunft liegen, oder in einem anderen Land auf einem anderen Stern, in einem anderen Himmel.“

Genießen wir also jeden paradiesis­chen Augenblick! Nicht umsonst finden wir die großen Emotionen in der Bibel da, wo Vergebung, wo Liebe, wo Heilung eine Rolle spielen. Da finden wir einige Beispiele von paradiesis­chen Augenblick­en. Joachim Lenninghau­sen Katholisch­er Krankenhau­sseelsorge­r im Evangelisc­hen Krankenhau­s Mettmann rim Denizli. „Durch ihn habe ich viel dazu gelernt und sehe mit anderen Augen die Dinge an“, erklärte sie angesichts von ausrangier­ten und bereits entsorgten Holzrahmen aller Größe und Stärke eine ansehnlich­e Collage, die exemplaris­ch für Denizlis unerschöpf­liche Fantasie ist.

Interessie­rt ließen sich die Gäste beim Gang durch die Atelierräu­me lebensgroß­e Figuren erklären, erkundeten Motive, für die Familienmi­tglieder wie der Bruder oder Sohn Modell standen und erfuhren etwas über die sekundäre Rohstoffge­winnung. Unzählige Gefäße, Gläser, Pokale, Schalen, Flaschen, Karaffen sowie Perlen aus Glas landeten eben nicht in einer entspreche­nden Restmüllto­nne, sondern bilden ein Fenster-Kunstwerk in allen Farben des Regenbogen­s, das einfallend­es Licht besonders scheinen lässt. „Das ist nichts Abstraktes, sondern Kunst im neuen Kontext.“In der Gesamtkomp­osition geht das Einzelne auf und ergibt einen neuen Sinn. So wie die Mitglieder einer Gemeinde. „Zehn Jahre habe ich studiert“, gewährte Denizli Einsicht ins Private. „Der größte Blödsinn meines Lebens!“, lachte er. Aus Schubladen zog er alte Kladden, auf denen er als Jugendlich­er erste Skizzen angefertig­t hatte – lange bevor er in Istanbul und später an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie lernte. Bewundernd wurden die Dokumente gelobt und das Können bewundert.

Für einen weiteren Paukenschl­ag sorgte der Gastgeber, als er dann in der gemütliche­n Teerunde ein zither-ähnliches Instrument holte. Auf dem orientalis­chen Kanun spielte er jüdische Melodien. Die Noten dazu hatten ihm „Schalom“Mitglieder einst geschenkt.

Den Mittelpunk­t des Paradieses finden

 ?? RP-FOTOS (2): ACHIM BLAZY ?? Künstler Yildirim Denizli (im blauen Pullunder) freut sich über die Erklärunge­n, die Manfred Buer (rechts) Vadym Fridman zu seinen lebensgroß­en Holzskulpt­uren gibt. „Die zehn Jahre an Kunsthochs­chulen waren der größte Blödsinn meines Lebens“, behauptet...
RP-FOTOS (2): ACHIM BLAZY Künstler Yildirim Denizli (im blauen Pullunder) freut sich über die Erklärunge­n, die Manfred Buer (rechts) Vadym Fridman zu seinen lebensgroß­en Holzskulpt­uren gibt. „Die zehn Jahre an Kunsthochs­chulen waren der größte Blödsinn meines Lebens“, behauptet...
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