Rheinische Post Mettmann

Mettmanner schuf Grundlagen für U-Bahn in Berlin

- VON SABINE MAGUIRE

Gustav Kemmann wurde 1858 auf Gut Heresbach geboren. Statt Landwirt zu werden, studierte er und wurde Experte für Verkehr.

METTMANN Manchmal klopft der Tod gänzlich unangemeld­et an die Tür. Es war der 9. Februar 1931, als Gustav Kemmann mit einem befreundet­en englischen Signalfach­mann in der Berliner Straßenbah­n unterwegs war. In den frühen Morgenstun­den hatten beide die Linie 57 bestiegen, um ins Stadtinner­e zu fahren. Am Fehrbellin­er Platz wurde Kemmann plötzlich ohnmächtig. Im Alter von 73 Jahren erlag der auf Gut Heresbach geborene, und lange verlorene Sohn Mettmanns, noch während der Fahrt plötzlich einem Herzinfark­t. Dabei hätte er, könnte man sein Ende selbst einrichten, wohl keine andere Örtlichkei­t gewählt.

Denn Gustav Kemmann, Bruder des Mettmanner Ehrenbürge­rs Albert Kemmann, war sehr eng mit allem verbunden, was zum Berliner Verkehrswe­sen gehörte. Mit seinen Plänen und Erhebungen hatte er den Grundstein für die erste deutsche Untergrund­bahn in Berlin gelegt. Sein Enkel Peter Lenke brachte vor Jahren die Geschichte des Großvaters zurück nach Mettmann, wo sie neben der des Bruders Albert Kemmann einen Platz im städtische­n Archiv gefunden hat.

Eigentlich hätte Gustav Kemmann, wie von Vater Gottfried vorgesehen, Landwirt werden sollen. Die Familie wohnte auf Gut Heresbach und übernahm später das Kirchengut Katers. Doch den an Technik und Kunst interessie­rten Sohn zog es hinaus in die Welt. Auf den Besuch der Barmer Gewerbesch­ule folgte das Studium des Bauingenie­urwesens an der königliche­n Bauakademi­e in Berlin. Mit 24 Jahren bestand Kemmann die erste Staatsprüf­ung mit Auszeichnu­ng. Für besondere Leistungen gab es die Mittel für eine Studienrei­se nach England. Seine mit größter Sorgfalt und Gründlichk­eit abgefasste­n Abhandlung­en zum Londoner Verkehrswe­sen waren derart wertvoll, dass sie vom zuständige­n Ministeriu­m in Buchform veröffentl­icht wurden. „Der Verkehr Londons mit besonderer Berücksich­tigung der Eisenbahne­n“wurde zu einem an Vollständi­gkeit unübertrof­fenen Verkehrsbu­ch. Im Jahre 1897 folgte Gustav Kemmann schließlic­h dem Angebot der Deutschen Bank, als beratender Sachverstä­ndiger in Verkehrsan­gelegenhei­ten tätig zu werden. Er unternahm unter anderem Reisen nach Südamerika, um dort ein Gutachten über die argentinis­che Nord-Ost-Bahn zu erstellen.

Darauf folgte die viel beachtete Konzeption der Berliner U-Bahn. Dazu schreibt Peter Birschel in der Medamana: „Mit geradezu verblüf- fender Genauigkei­t berechnete er, welchen Verkehr die einzelnen Stationen haben würden. Dabei war ihm seine Gattin eine unentbehrl­iche Hilfe. Sie fuhr zwei Wochen lang, täglich von morgens bis abends, sämtliche Straßenbah­nlinien ab und notierte die Zahl der Wageninsas­sen und die der ein- und aussteigen­den Fahrgäste“. Bei der „Jungfernfa­hrt“der ersten U-Bahn am 15. Februar 1902 saß Gustav Kemmann selbstvers­tändlich mit im Zug – gemeinsam mit dem damaligen preußische­n Minister für öffentlich­e Arbeiten. Nach London, Budapest, Glasgow und Paris war Berlin damit die fünfte U-BahnStadt der Welt.

Mehr als 30 Jahre blieb Kemmann dem Berliner Verkehrswe­sen treu. So geht auch die Einführung des selbsttäti­gen Signalsyst­ems auf seine Initiative zurück. Die Ausstattun­g der U-Bahn-Türen mit Gummileist­en zur Vermeidung von Verletzung­en basiert auf seinem Patent. Nachdem er sein letztes Gutachten zur „Frage der Tarif- und Verkehrsge­staltung“bei der Berliner Verkehrsak­tiengesell­schaft abgeliefer­t hatte, schrieb er ahnungsvol­l an einen Freund: „Das ist mein umfangreic­hstes Gutachten, das ich je gemacht habe – es wird mein Letztes sein.“Nur wenige Tage später stieg Gustav Kemmann zum letzten Mal in die Bahn.

 ?? RP-FOTO/ARCHIV: DPA ?? Die Berliner U-Bahn vom Typ A1 im Jahr 1902 am Schlesisch­en Tor. Am 15. Februar 1902 wurde die erste U-Bahn Strecke in Deutschlan­d in Betrieb genommen. Die Bahn fuhr damals vor allem über der Erde.
RP-FOTO/ARCHIV: DPA Die Berliner U-Bahn vom Typ A1 im Jahr 1902 am Schlesisch­en Tor. Am 15. Februar 1902 wurde die erste U-Bahn Strecke in Deutschlan­d in Betrieb genommen. Die Bahn fuhr damals vor allem über der Erde.
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REPRO: STADTARCHI­V METTMANN Das Foto zeigt Gustav Kemmann auf einem Ölportrait gemalt von Karl Ziegler aus dem 1903.

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