Von wegen Spießerhund
Der Dackel ist dabei, seinen Ruf als Begleiter für Senioren und Jäger abzustreifen. Immer mehr junge Menschen legen sich einen Teckel zu. Denn gerade in einer Großstadt sind die kurzbeinigen Hunde ziemlich praktisch.
BONN Hilde ist heute bockig. Sie will nicht nach draußen. Dafür müsste sie den warmen Platz an der Heizung verlassen. Nach mehrfacher Aufforderung erhebt sich die Dackeldame dann aber doch. Missmutig trottet sie an Philipp Wilhelmstrop vorbei in Richtung Haustür. Glücklicherweise hat es an diesem Tag nicht geregnet. „Sie mag keinen nassen Boden“, erklärt der 31-Jährige und grinst. Hilde sei eben eine Prinzessin – und eine typische Vertreterin ihrer Rasse.
Früher galt der kurzbeinige Dackel als spießig, mittlerweile ist er auch bei jungen Großstädtern angekommen. Allein im Jahr 2015 wurden beim Verband für das Deutsche Hundewesen 5885 Dackelwelpen angemeldet. „Natürlich kommen wir an die Zahlen der 60er und 70er Jahre mit 20.000 Welpen und mehr jährlich nicht mehr heran“, sagt Joana Krietsch vom Deutschen Teckelklub 1888. Dabei gebe es heute mehr Rassen, und auch die Schwarzzucht sei angestiegen. „Der Trend geht aber eindeutig wieder Richtung gezüchtetem Rassehund“, sagt die Sprecherin. Der kostet beim Züchter in der Regel zwischen 700 und 900 Euro.
Hildes Abstammung ist unbekannt. In Ungarn war der rotbraune Kurzhaardackel vor der Tötungsstation gerettet und nach Deutschland gebracht worden. Anderthalb bis zwei Jahre war sie alt, als Philipp Wilhelmstrop sie 2010 im Bonner Tierheim entdeckte. „Ich war mehrfach da und habe mir die Hunde angeguckt“, erinnert er sich, „aber als ich die Hilde gesehen habe, war alles klar.“Weil ihre Vorderbeine etwas krumm sind, könnte sie für die Zucht ungeeignet gewesen sein, mutmaßt er. Ihm aber war es nicht wichtig, ob sein Hund Papiere hat. Aus Giama wurde „die Hilde“. Mit Wilhelmstrop, der als Sachbearbeiter bei der Bundeszentrale für politi- sche Bildung arbeitet, wohnt die Dackeldame heute in der Bonner Altstadt.
Immer häufiger sind die Jagdhunde auch in anderen Städten anzutreffen. In Berlin gibt es sogar eine Kneipe, in der sich Dackelfreunde regelmäßig treffen und über ihre Vierbeiner austauschen: „Posh Teckel“im Stadtteil Neukölln. Im Oktober 2014 haben Bernd Ehnes (37) und seine Freundin Judith Schmitt (42) die Bar eröffnet, damals eher als Musikkneipe mit Dackel. „Jetzt ist es eher eine Dackelbar mit Musik“, sagt Ehnes amüsiert. Seine neunjährige Ella ist das Maskottchen der Kneipe. Auf dem Logo ist sogar ihr Kopf zu sehen – mit Krone. Die cha-
Philipp Wilhelmstrop (31) rakterstarke Ella sei schon lange keine Prinzessin mehr, sagt Schmitt, „sondern eine Königin“. Einst sei sie der einzige Dackel im Kiez gewesen, inzwischen sei die Zahl der Neuköllner Teckel rapide gestiegen. „Allein in der Parallelstraße wohnen heute vier“, sagt Ehnes. Zum letzten monatlichen Dackeltreffen im „Posh Teckel“kamen 18 Halter – alle unter 45 Jahren – und ihre Hunde, natürlich in schicken Mäntelchen.
„Dackelbesitzer haben einen Knall“, sagt Schmitt und lacht. „Sie haben eine ganz besondere Beziehung zu ihren Hunden.“In ihren Gesprächen ginge es nahezu ausschließlich um neue Mäntel für die Vierbeiner, die richtige Ernährung und in welchem Fachgeschäft man die beste Ausstattung bekommt. Die 42-Jährige selbst hatte immer große Hunde, heute besitzt das Paar neben Ella noch Dackel Bonnie. „Ich merke, dass ich selbst auch immer mehr so werde“, sagt Schmitt.
Eine spezielle Verbindung zu seinem Dackel scheint auch Schleswig-Holsteins Ex-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zu haben. Er nahm gestern nicht an der Wahl des Bundespräsidenten teil – weil sein Dackel krank war. „Der hat eine sogenannte Dackellähmung, das ist ein Bandscheibenvorfall“, sagte Carstensen am Freitag. „Ich muss deshalb mehrmals am Tag und auch nachts mit ihm auf dem Arm raus, weil er nicht richtig laufen kann.“Das konnte und wollte er anderen nicht zumuten.
Dackel sind keine Anfängerhunde. Sie gelten als willensstark, störrisch und besitzen ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Immerhin wurde die Hunderasse dazu gezüchtet, im Dachsbau zu jagen, wo der Hund seine eigenen Entscheidungen treffen muss. Auch der Bonner Philipp Wilhelmstrop ist sich sicher, dass eher der Dackel den Menschen erzieht als umgekehrt. „Hilde wehrt sich beispielsweise gegen das Stöckchenholen“, sagt der gebürtige Ostwestfale. Selbst Futter sei für sie dabei kein Anreiz. „Wenn sie keinen Bock hat, macht sie gar nichts.“
Auf der Hundewiese wiederum würde sie sich nur Vierbeiner zum Spielen suchen, die deutlich größer sind als sie selbst. „So ab Schäferhund wird es für sie interessant“, sagt Wilhelmstrop. Gleichzeitig sei Hilde aber sehr pflegeleicht und robust, und „Dackel sind sehr praktische Hunde, man nimmt sie unter den Arm und hat sie sofort im Griff“, sagt der 31-Jährige. Das sei vor allem in Geschäften oder Bussen und Bahnen ziemlich praktisch.
Während sich der Dackel in Berlin zum Trendhund mausert, sei der Hype in Bonn noch verhalten, sagt Wilhelmstrop. Bunte Mäntelchen oder blinkende Halsbänder seien ihm noch nicht begegnet. Seine Hilde sei für so etwas gar nicht geeignet. Ihren roten Winterpullover zieht sie sich beim Gassigehen meist selber aus.
„Der Dackel erzieht den Menschen. Wenn Hilde keinen Bock hat, macht sie gar nichts“
Dackelbesitzer