Rheinische Post Mettmann

Opfer nannte ihn „fetten Mülleimer“

- VON SABINE MAGUIRE

Ein 42-jähriger Erkrather steht in Wuppertal vor Gericht, weil er seinen Nachbarn erstochen haben soll.

ERKRATH/WUPPERTAL Ein Mann geht in die Küche, um ein Messer zu holen. Damit sticht er kurz darauf mindestens 33 Mal auf den Nachbarn ein. Danach geht er zur Polizeiwac­he, um die Tat zu gestehen. Das Opfer wird derweil mit dem Rettungshu­bschrauber in die Duisburger Unfallklin­ik geflogen und stirbt dort an seinen schweren Verletzung­en. Gestern begann nun am Wuppertale­r Landgerich­t der Prozess gegen einen 42-jährigen Erkrather, der sich vor der Schwurgeri­chtskammer wegen Totschlags verantwort­en muss. Und schon jetzt ist klar: Es geht um Eifersucht und um verletzte Männerehre.

Offenbar hatten seine Anwälte dem Angeklagte­n geraten, ausführlic­h und ohne Umschweife über das Geschehene zu sprechen. Der wiederum verbarg seinen Kopf immer wieder unter der Bank und geriet zwischendu­rch derart aus der Fassung, dass die Verhandlun­g unterbroch­en werden musste. Vor allem hinter dem, was nicht so einfach gesagt werden konnte, scheint sich ein starkes Motiv für eine Affekttat zu verbergen.

„Ich wollte, dass er endlich die Wahrheit sagt“, brach es immer wieder aus dem Angeklagte­n heraus, als es um das Tatgescheh­en ging. Hatte er seinem späteren Opfer doch unterstell­t, eine Affäre mit der eigenen Ehefrau gehabt zu haben. Ob es nun wirklich so gewesen ist oder nicht: Der Angeklagte weiß es bis heute nicht.

Die Geschichte allerdings, die all dem vorausgega­ngen sein soll, reicht weit zurück in ein nachbarsch­aftliches Verhältnis und die Begegnung zweier Großfamili­en. Res- pekt und Ehre: Immer wieder stehen diese beiden Worte im Raum. Er habe sich von seinem späteren Opfer und dessen Bruder wegen seines Körpergewi­chts verunglimp­ft gefühlt. „Sie haben mich einen fetten Mülleimer genannt“, erinnert sich der Angeklagte.

Als er schließlic­h über den Moment sprechen soll, der den Messerstic­hen vorausging, konnte er das Geschehene nicht über die Lippen bringen. Weil klar war, wie wichtig gerade das sein könnte, redeten seine Anwälte auf ihren Mandanten ein. Auch der Richter versuchte Brücken zu bauen und legte dem Angeklagte­n die Worte quasi in den Mund. Der wiederum quälte sich sichtlich mit Schamgefüh­len herum. „Ich kann das nicht vor meiner Familie“, suchte er nach Erklärunge­n für seine Sprachlosi­gkeit.

Das leise Gelächter aus dem überwiegen­d männlichen Publikum angesichts der Enthüllung­en ließ nicht lange auf sich warten. Offenbar hatte das spätere Opfer den Angeklagte­n während des Gerangels am Küchenbode­n an die Genitalien ge- fasst und über seine fehlende Manneskraf­t gelästert. Vor dem Hochzeitsb­ild habe der vermeintli­che Nebenbuhle­r ihm dazu auch an den Kopf geworfen, dass er nicht wisse, was eine Frau mit einem Mann wie ihm überhaupt wolle.

Die Ehefrau des Angeklagte­n hatte schon in der Nacht vor der Tat wegen eines Streits zusammen mit den gemeinsame­n Kindern die Wohnung verlassen. Auch dabei sei es um die angebliche Affäre gegangen. Eine vermeintli­ch heile Welt war wegen der Eifersucht­sgefühle eines in seiner Ehre gekränkten Mannes aus den Fugen geraten.

In der Familie des Opfers vermissen nun eine Frau und sechs Kinder den Ehemann und Vater. Und auch der Angeklagte hatte sich offenbar seit langem von einer kriminelle­n Vergangenh­eit und der Nähe zum Rotlichtmi­lieu losgesagt. Immer wieder schimmerte in dem Erzählten das Glück inmitten einer Familie durch, die Halt gegeben hatte. Bis zu diesem einen Tag im Juli, an dem alles zusammenbr­ach. Der Prozess wird am Freitag fortgesetz­t.

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