Rheinische Post Mettmann

E-Mails aus dem Glashaus

- VON FRANK HERRMANN

Hillary Clinton wickelte dienstlich­e Post über einen privaten Server ab – ein gefundenes Fressen für die Republikan­er im Wahlkampf. Auch für Mike Pence. Nun hat der heutige Vizepräsid­ent mit seiner eigenen E-Mail-Affäre zu kämpfen.

WASHINGTON Im Wahlkampf konnte sich Mike Pence noch wortstark erregen über die Benutzung privater E-Mail-Server für dienstlich­e Post. Als es darum ging, Hillary Clinton als zwielichti­ge Gestalt zu porträtier­en, die eigentlich hinter Gitter gehöre, hat er kräftig mitgezeich­net an der Karikatur. Im September wetterte er in einer Sonntagsta­lkshow, seit Richard Nixon, dem über den Watergate-Skandal gestolpert­en Präsidente­n, sei Clinton die unehrlichs­te Kandidatin, die sich je fürs Weiße Haus beworben habe. Die Außenminis­terin, die digital mit Hilfe eines in ihrer Privatvill­a eingericht­eten Servers korrespond­ierte, schob Pence hinterher, hätte doch wissen müssen, dass sie vertraulic­he Informatio­nen in einer Weise handhabte, die Hackern Tür und Tor öffnete. Durch ihre Fahrlässig­keit hätten auch „Feinde dieses Landes“leicht Geheimes aus amerikanis­chen Regierungs­ämtern erfahren können.

Was man damals noch nicht wusste: Auch Pence hat sich eines privaten Servers bedient, um dienstlich zu korrespond­ieren. Mehr noch, sein E-Mail-Konto beim Internetan­bieter AOL wurde tatsächlic­h gehackt, was man im Falle Hillary Clintons bis heute nicht sagen kann. Donald Trumps aktueller Stellvertr­eter, damals noch Gouverneur des Bundesstaa­ts Indiana, fiel auf eine sogenannte Phishing-Attacke herein, auf die ziemlich simple Masche dreister Betrüger.

Im Frühsommer des Jahres 2016, so berichtet es die Lokalzeitu­ng „Indianapol­is Star“, erhielten sämtliche in seinem Adressbuch verzeichne­ten Empfänger die Nachricht, Mike Pence und dessen Frau seien auf dem Weg zu einem Hotel auf den Philippine­n überfallen und sämtlicher Wertsachen beraubt worden. Ohne Bargeld, ohne Kreditkart­en, ohne Handys bräuchten sie dringend Hilfe, weshalb man ihnen mit Eilüberwei­sungen helfen möge. Offensicht­lich hatten sich Hacker die digitale Kontaktlis­te des Gouverneur­s angeeignet.

Ja, er habe seinerzeit sowohl eine dienstlich­e als auch eine private EMail-Adresse besessen, lässt der Bedrängte einen Sprecher einräumen. Doch lasse sich der Fall Pence schon deshalb nicht mit der Causa Clinton vergleiche­n, weil ein Gouverneur nicht einmal annähernd über die Fülle geheimer Informatio­nen verfüge, wie sie eine Außenminis­terin zu lesen bekomme.

Im „Indianapol­is Star“liest sich das etwas anders, dort ist von elektronis­chen Kurzbriefe­n durchaus brisanten Inhalts die Rede. Einmal ging es um die Sicherung der Zufahrt zur Residenz, ein anderes Mal um syrische Flüchtling­e: Pence wollte ihre Aufnahme in Indiana blockieren, weshalb er einen langwierig­en Rechtsstre­it zu führen hatte. Dann wieder informiert­e ihn ein Adlatus, dass die Bundespoli­zei FBI Angaben zu festgenomm­enen Sympathisa­nten des Islamische­n Staats in wichtigen Details geändert habe.

Es war also keineswegs so, zitiert das Blatt einen Computerex­perten, dass Pence nur Geburtstag­sgrüße an Enkelkinde­r verschickt­e. 29 Seiten mit ausgedruck­ten E-Mails hat sein Nachfolger im Amt bislang freigegebe­n. Andere bleiben vorläufig unter Verschluss. Wie viele genau, ist unbekannt. Deren Inhalt, heißt es zur Begründung, sei vertraulic­h. Allerdings gebe es in Indiana keine Gesetze, die Amtsträger­n die Nutzung privater E-Mail-Accounts verböten, berichtete das Blatt.

Pence war von 2012 bis Anfang Januar Gouverneur von Indiana; von 2001 bis 2013 saß er im Repräsenta­ntenhaus. In Trumps Team verkörpert er sozusagen den Gegenentwu­rf zum Präsidente­n. Der Vizepräsid­ent hat die politische Erfahrung, die Trump fehlt. Pence wirkt volksnah, präsentier­t sich gern als Stimme der kleinen Leute. Für die Präsidents­chaftsrenn­en 2012 und 2016 dachte er selbst an eine Kandidatur. Der 57-Jährige beschreibt sich als „Christ, Konservati­ver und Republikan­er – in dieser Reihenfolg­e“.

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FOTO: AP Bitte lächeln: Mike Pence, damals noch Gouverneur von Indiana, macht im August 2016 ein Selfie mit Wählern in Cincinnati, Ohio.

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