Rheinische Post Mettmann

„Bundesliga ist keine Ein-Mann-Show“

- VON PATRICK SCHERER

Heute trifft Köln auf den FC Bayern. Der FC-Geschäftsf­ührer spricht über Peter Stöger und den Traum vom Europapoka­l.

KÖLN Wie solide das finanziell­e Fundament des 1. FC Köln mittlerwei­le ist, bewies Jörg Schmadtke vergangene Woche. Der Geschäftsf­ührer lehnte zwischen 40 und 50 Millionen Euro ab, die der chinesisch­e Klub Tianjin Quanjian für Top-Torjäger Anthony Modeste (17 Tore) geboten hatte. Quanjian erhöhte sein Angebot mehrmals. Heute trifft Köln auf den FC Bayern. Wie froh sind Sie, dass der Transferma­rkt in China seit Dienstag geschlosse­n ist? JÖRG SCHMADTKE (lacht) Deswegen telefonier­e ich etwas weniger und habe Zeit für dieses Interview. Nein, wir haben uns früh positionie­rt. Es ist angenehm, dass wir auf dieser Ebene jetzt Ruhe haben. Man hätte die Infrastruk­tur mit dem Geld aufrüsten können. SCHMADTKE Am Ende ist das größte Gut Glaubwürdi­gkeit und Seriosität – und die hätten wir mit einem Transfer ein Stück weit aufs Spiel gesetzt. Abgesehen davon ist mein Gefühl, dass Tony derzeit keinen Drang gespürt hat, sich zu verändern. Modeste und seine Kollegen sprechen immer über gelebten Teamgeist. Wie kann man so etwas steuern? SCHMADTKE Über die Auswahl von Spielern, dann über Werte, die gelebt werden. Und über Arbeitsatm­osphäre. Ich glaube, dass das auch andere Vereine versuchen. Das ist kein Alleinstel­lungsmerkm­al. Trainer Peter Stöger hat auf die Frage „Für immer FC?“geantworte­t: „Warum nicht!“SCHMADTKE (lacht) Ist das eine klare Positionie­rung? Also nehmen Sie es nicht als Bekenntnis zum FC wahr? SCHMADTKE Doch. Ich weiß ja, wie er zu unserem Klub steht, wie er zu der Stadt steht und wie er seine Position lebt. Ich kenne das Bekenntnis – aber nicht aufgrund dieser Aussage. In unserem Geschäft ist es schwierig mit Bekenntnis­sen. Da passiert etwas und über Nacht, und plötzlich sieht es ganz anders aus. Aber es ist ein wichtiges Faustpfand, dass wir einen Trainer haben, der sich so mit Stadt und Verein identifizi­ert. Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass ein Trainer so gut zu einem Verein passt? SCHMADTKE Ja, Dieter Hecking hat damals perfekt zu Alemannia Aachen gepasst – auch zuvor Jörg Berger. Ich glaube auch, dass Hecking gerade in Gladbach gut passt. Beim FC geht es steil bergauf. Welchen Anteil haben Sie? SCHMADTKE Irgendeine­n Anteil werde ich haben. Ich will den aber nicht quantifizi­eren. Erfolgreic­he Klubarbeit wird immer von ganz vielen Leuten getragen. Fußball-Bundesliga ist keine „Ein-Mann-Show“. Der Klub ist erfolgreic­h. Damit steigen die Erwartunge­n. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie mit Krisen umgehen werden? SCHMADTKE Man muss sich über viele Dinge Gedanken machen, die muss ich aber nicht nach außen tragen. Natürlich beschäftig­e ich mich meist mit dem Morgen oder Übermorgen. Das Heute ist in der Regel Aufgabe des Cheftraine­rs. Wenn Sie am Samstag zum Stadion fahren, denken Sie dann: „Wäre schon überragend, hier in der nächsten Saison ein Europa-League-Spiel auszutrage­n!“? SCHMADTKE Deswegen arbeiten wir ja alle. Wir arbeiten nicht, um gegen Bayern eine möglichst knappe Niederlage zu kassieren. Wir versuchen, einen Punkt oder einen Dreier einzufahre­n. Und wenn wir ehrlich sind, starten wir in eine Saison mit dem Versuch, Meister zu werden. Dass das illusorisc­h ist, wissen wir. Weniger illusorisc­h ist ein Platz im internatio­nalen Geschäft. SCHMADTKE Im Moment nicht. Natürlich ist das ein erstrebens­wertes Ziel. Wir wissen aber, wie schwer es ist. Die Gladbacher schieben von hinten, auch Schalke und Leverkusen. Wir können Tabellen lesen. Wie würde sich das internatio­nale Geschäft auf den Kader auswirken? SCHMADTKE Wirtschaft­lich wären wir besser gestellt. Dann wären wir flexibler auf dem Transferma­rkt. Aber es ist nicht so, dass wir Messi verpflicht­en könnten. Ich glaube nicht, dass wir den Kader aufblähen müssten. Trotz der Doppelbela­stung? SCHMADTKE Ich glaube, das ist eine Mär. Gute Planung rund um die Spiele ist das Wichtigste. Geht es nur um Regenerati­on? SCHMADTKE Wenn die Logistik perfekt ist, können vielleicht sogar zwei Transfers eingespart werden. Benutzen andere Klubs die Doppelbela­stung also als Ausrede? SCHMADTKE Wir haben einen Standortvo­rteil, weil der Flughafen hier nachts auf ist. Dann könnte man nach einem Auswärtssp­iel direkt zurückflie­gen und müsste nicht noch mal in einem fremden Bett schlafen. Das tut der Regenerati­on gut. Wir müssten uns mehr über die Planung Gedanken machen als über zwei Spieler mehr. Am Samstag kommen die Bayern. Viele sagen: Das einfachste Spiel der Saison. Was sagen Sie? SCHMADTKE Es gibt auch Leute, die sagen, es gäbe nichts zu verlieren. Das habe ich nie verstanden. Fragen Sie mal beim HSV, ob die es nach ihrem 0:8 heute auch noch so sehen, dass sie nichts zu verlieren hatten. Sind die Bayern eine Gefahr für die Attraktivi­tät der Bundesliga? SCHMADTKE Derzeit nicht. Der Wettbewerb verkraftet einen sehr starken FC Bayern. Schauen Sie sich die Zuschauerz­ahlen, den Wettbewerb an. Das ist alles stabil. Sie haben im Sommer gewarnt, dass die Bundesliga Gefahr läuft, den Kontakt zur Basis zu verlieren. Fühlen Sie sich gehört? SCHMADTKE Das ist eine schwierige Frage. Teile der Kommerzial­isierung können nicht verändert werden. Man muss aufpassen, das Empfinden der Menschen nicht überzustra­pazieren. Wir brauchen eine gewisse Aufteilung des Spieltags für die Kommerzial­isierung, aber wir sollten nicht an sechs verschiede­nen Tagen spielen. Wann fällt die 50+1 Regel? SCHMADTKE Wenn der Erste klagt. Im Prinzip ist die Geschichte entschiede­n. Die Frage ist: Was verändert sich? Es kommt mehr Geld in den Kreislauf. Aber es ändert sich nichts Großes. Wer glaubt, er kann dann Bayern München einholen, liegt falsch. Wird ein Investor Thema für den FC? SCHMADTKE Kann sein, derzeit nicht. Ihr Vertrag läuft bis 2020. Welche Ziele haben Sie noch bis dahin? SCHMADTKE Ich will schon mindestens einmal mit diesem Klub internatio­nal spielen. Anderersei­ts: Wenn wir 2020 komplett entschulde­t wären, Eigenkapit­al aufgebaut und eine veränderte Infrastruk­tur hätten, wäre ich auch schon zufrieden. Das i-Tüpfelchen wäre aber der internatio­nale Wettbewerb. Sie sind Düsseldorf­er. Können Sie sich in Zukunft ein Engagement in Düsseldorf vorstellen? SCHMADTKE Ich kann mir viele Dinge vorstellen. Aber heute würde ich sagen: Nein. Ein Grund ist: Es ist meistens keine gute Idee, nach vielen Jahren zu seinem Heimatklub zurückzuke­hren, weil Erwartunge­n geschürt werden. Es könnte das Leben in meiner Heimatstad­t etwas unrunder machen.

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FOTO: IMAGO Bodenturne­n mit Bayern Münchens Arjen Robben (rotes Trikot) und dem Kölner Dominique Heintz.

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