Rheinische Post Mettmann

Marcel H. – emotionslo­s und eiskalt

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND CLAUDIA HAUSER

Der 19-Jährige hat ein umfangreic­hes Geständnis abgelegt. Er gab zu, den neunjährig­en Jaden sowie einen 22-jährigen Bekannten erstochen zu haben. Das Kind tötete er offenbar nur, weil es ihm die Tür aufgemacht hatte.

HERNE Georgios Chaitidis sitzt vorgestern Abend in seinem Herner Imbiss „Thessaloni­ki Grill“an einem Tisch und liest Nachrichte­n auf seinem Tablet, als plötzlich die Tür aufgeht und ein schwarz gekleidete­r junger Mann mit einem Sack Zwiebeln in der Hand den Laden betritt. „Ich bin der, den man sucht“, sagt er. „Ich bin Marcel H.“Chaitidis weiß zunächst nicht, wen er vor sich hat. „Marcel wer?“, will der 54-Jährige wissen. Der junge Mann entgegnet ruhig: „Guck auf dein Tablet, mein Bild steht da.“Der Imbissbesi­tzer schaut nach, erkennt ihn und verständig­t die Polizei, die wenige

Danyal Maibaum Minuten später eintrifft und Marcel H. festnimmt.

Die Festnahme besiegelte das Ende einer dreitägige­n Suchaktion nach dem mutmaßlich­en Mörder des neun Jahre alten Jaden, die NRW in Atem gehalten hatte. Das Kind war am Montag mit 52 Stichen umgebracht worden. „Wir haben schon viel Elend miterleben müssen, aber so ein Mordfall geht unter die Haut“, sagte der Leiter der zuständige­n Mordkommis­sion Bochum, KlausPeter Lipphaus. Der 19 Jahre alte Tatverdäch­tige legte ein umfassende­s Geständnis ab. „Dabei wirkte er ruhig, intelligen­t, emotionslo­s und eiskalt. Er diktierte meinen Kollegen seine Aussage“, sagte Lipphaus.

Bei seiner Vernehmung kam heraus, dass H., bevor er sich stellte, noch einen weiteren Mord beging. Bei dem zweiten Opfer handelt es sich um einen 22 Jahre alten Bekannten des Täters, den er aus einem Berufskoll­eg kannte. Dieser sei mit 68 Messerstic­hen und durch komprimier­ende Gewalteinw­irkung am Hals getötet worden, erklärte Staatsanwa­lt Danyal Maibaum. Um die Tat zu vertuschen und Spuren zu beseitigen, habe Marcel H. dann in der Wohnung des 22-Jährigen, die in der Nähe des „Thessaloni­ki Grill“liegt, ein Feuer gelegt – ohne dabei Rücksicht darauf zu nehmen, dass noch weitere Menschen, die in dem Haus wohnen, ums Leben hätten kommen können. Die Ermittler sind sich auch deshalb sicher: Der 19-Jährige hat aus reiner Mordlust und heimtückis­ch gehandelt.

Seine Schuldfähi­gkeit muss allerdings noch geprüft werden. „Ich habe aber an wenig von dem, was er gesagt hat, Zweifel. In allen Bereichen können wir ihm aber nicht trauen“, so Lipphaus. Nach Angaben der Polizei tötete er Jaden offenbar nur, weil er es war, der die Tür am Montagaben­d öffnete, als H. klingelte. „Er wollte denjenigen, der aufmacht, in seine Gewalt bringen“, sagte Lipphaus. „Er wollte einen Mord begehen, um in den Knast zu kommen.“Er lockte Jaden unter dem Vorwand, er müsse ihm helfen, eine Leiter zu halten, in den Keller seines ehemaligen Wohnhauses. Dort stach er auf den Jungen ein. Nach dem Mord schickte er die Bilder, die er von sich und der Leiche gemacht hatte, per WhatsApp an mehrere Bekannte. Einer der Bekannten, die die Fotos bekommen hatten, alarmierte die Polizei.

Auslöser der Bluttat könnte eine Absage der Bundeswehr gewesen sein, bei der sich Marcel H., der sich als spielsücht­ig bezeichnet, als Zeitsoldat beworben hatte. Zudem wollten die Eltern gerade mit ihm in eine andere Stadt umzuziehen. „Er hat deshalb befürchtet, den Zugang zum Internet zu verlieren“, erklärte Lipphaus. „Die Aussicht, keine Computersp­iele im Internet mehr spielen zu können, hat ihn zu Suizidgeda­nken getrieben.“Demnach gingen den beiden Morden zwei

„Ein 22-Jähriger ist mit mit 68 Messerstic­hen

getötet worden“

Staatsanwa­lt „Er hat versucht, sich vor den Morden das Leben zu nehmen“

Klaus-Peter Lipphaus

Leiter der Mordkommis­sion

missglückt­e Suizidvers­uche am Montag voraus. „Er hat offenbar versucht, sich vor den Tötungsdel­ikten auf mehrfache Weise selbst das Leben zu nehmen“, so Lipphaus. So habe er etwa versucht, mit einem Grillanzün­der einen Brand zu legen und sich so zu töten. Dann sprang aber der Rauchmelde­r an und löste Alarm aus. Anschließe­nd beschloss Marcel H., noch am selben Abend einen Mord zu begehen. Danach habe er sich laut Polizei kurz in einem Waldstück versteckt, ehe er zu seinem Bekannten ging, den er dann tötete – offenbar weil dieser drohte, zur Polizei zu gehen. Im Anschluss an die Tat blieb H. in der Wohnung und verbrachte zwei Tage mit der Leiche, ehe er sich stellte, so Lipphaus. Die Ermittler vermuten, dass er das tat, weil er keinen anderen Ausweg mehr sah.

Georgios Chaitidis sagt, dass Marcel H. sehr ruhig gewirkt habe, als er zu ihm in den Imbiss gekommen ist. „ Er hat nichts gemacht, außer zu sagen, dass er es ist“, sagt Chaitidis, der selbst keine Angst vor ihm gehabt hat. „Erst als die Polizei kam, habe ich überhaupt so richtig kapiert, was gerade passiert.“

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Die Spurensich­erung untersucht die verbrannte Matratze, die in dem Brandhaus in Herne sichergest­ellt wurde. In der Wohnung soll der Verdächtig­e Feuer gelegt haben, nachdem er einen 22-Jährigen dort erstochen hatte.
FOTO: ACTION PRESS Die Spurensich­erung untersucht die verbrannte Matratze, die in dem Brandhaus in Herne sichergest­ellt wurde. In der Wohnung soll der Verdächtig­e Feuer gelegt haben, nachdem er einen 22-Jährigen dort erstochen hatte.
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Marcel H. suchte den „Thessaloni­ki Grill“auf, der nur wenige Häuserbloc­ks von der Wohnung entfernt liegt, in der er sich versteckt hielt.
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FOTOS: DPA Imbissbesi­tzer Georgios Chaitidis rief die Polizei, nachdem ihn H. dazu aufgeforde­rt hatte.
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