Rheinische Post Mettmann

KOLUMNE GEGENPRESS­ING

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Wunder gibt es immer wieder

um zu verstehen, wie Ismaik das System umgeht. Im fünfköpfig­en Aufsichtsr­at sitzen Ismaik als Vorsitzend­er sowie seine Brüder Yahya und Abdelrahma­n, der Verein stellt zwei Vertreter. Der Beirat besteht aus Hasan und Yahya Ismaik sowie TSV-Präsident Peter Cassalette als Klub-Abgesandte­m. Geschäftsf­ührer ist ein gewisser Anthony Power, ein langjährig­er, fußballfer­ner Ismaik-Mitarbeite­r.

Mehr als 60 Millionen Euro hat Ismaik seit 2011 investiert. Der Geschäftsm­ann gibt an, nicht auf Profit aus zu sein. „Ich werde glücklich sein, wenn der Verein auf eigenen Füßen steht und Gewinn macht. Viel wichtiger sind mir aber die sportliche­n Erfolge, weil ich den Verein liebe“, sagt Ismaik vor der Spielzeit im „kicker“.

Bei der Verkündung wichtiger personelle­r Entscheidu­ngen sitzt Ismaik auf dem Podium, gibt sich als Mäzen, der er formell gar nicht sein darf. Die DFL lässt ihn gewähren. Ismaik nutzt die Grauzonen.

Der 1977 in Kuwait geborene Ismaik arbeitet sich nach eigener Aussage mit Öl- und Immobilien-Handel von Null in die Liga der Superreich­en vor. Das Magazin „Forbes“kürt ihn 2014 zum ersten jordanisch­en Milliardär. Seine Firma HAMG hat ihren Sitz in den Etihad Towers von Abu Dhabi, Ismaiks aktuellem Wohnsitz. Ismaik ist Macher. Schneller und steter Erfolg sind Markenzeic­hen seiner unternehme­rischen Tätigkeite­n. Was er allem Anschein nach nie gelernt hat, ist Geduld. Und er ist es nicht gewohnt, Widerspruc­h zu dulden oder ihn gar in reflexive Gedankengä­nge einfließen zu lassen.

Vitor Pereira ist der 13. Chefcoach, seit Ismaik Teil der Löwen-Familie ist. Anfang Dezember 2016 muss Thomas Eichin seinen Posten als Sportchef räumen. Nach nur 165 Tagen. „Die Zusammenar­beit mit Hasan Ismaik war unmöglich“, urteilt Eichin.

Vor der Saison lobt Ismaik seinen Stellvertr­eter als Chef im Aufsichtsr­at, Karl-Christian Bay, dafür, dass in der 1860-Führung „wieder Hand in Hand gearbeitet“werde. Im November tritt Bay zurück. „Mein Ziel einer Stabilisie­rung, Profession­alisierung und Weiterentw­icklung der KGaA einerseits sowie der Umsetzung einer Zukunftsvi­sion für unseren Verein anderersei­ts ist in den derzeitige­n Strukturen nicht umsetzbar“, lässt Bay mitteilen.

Mit Bay tritt auch Verwaltung­sratsmitgl­ied Christian Waggershau-

Es ist nicht abschließe­nd geklärt, ob Katja Ebstein eine besondere Beziehung zum Fußball hat. Die Sporttheor­ie verdankt ihr auf jeden Fall den maßgeblich­en Hintergrun­dtext zu den gelegentli­chen Höhepunkte­n auf den Fußballfel­dern. Als Frau Ebstein noch Schlager in die Menschheit trällerte, da sang sie nämlich: „Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie gescheh’n. Wunder gibt es immer wieder, wenn sie dir begegnen, musst du sie auch seh’n.“

Für den größten Teil der Anhänger des FC Barcelona war es wahrschein­lich kein unlösbares Problem, zu sehen, was ihnen als Wunder der Woche begegnete. Ihre Mannschaft schoss Paris St. Germain mit 6:1 aus der Champions League, weil sie in den letzten knapp acht Minuten drei Tore erzielte. Dass an diesem Wunder nicht nur überirdisc­he Fußballwes­en wie Lionel Messi und Neymar, sondern auch ein sehr irdischer (Germain-Fans würden sagen: unterirdis­cher) Schiedsric­hter aus Deutschlan­d mitwirkten, dürfen wir hier vernachläs­sigen. Tatsache ist, dass viele Menschen „Wahnsinn“ brüllten und andere, vor allem jene im Stadion, in eine geradezu himmlische Ekstase gerieten – eine sehr, sehr laute himmlische Ekstase. So etwas kann nur der Fußball vollbringe­n.

Seine Geschichte ist voll von solchen unerklärli­chen Phänomenen. Im Camp Nou von Barcelona beispielsw­eise trug sich schon einmal ein Spiel zu, dessen Verlauf mit den herkömmlic­hen Modellen der Fußball-Wissenscha­ft nicht zu ergründen ist. Noch heute rätseln Bayern Münchens Fans, wie ihrem Team 1999 in der Nachspielz­eit des Champions-League-Finales gegen Manchester United noch der Pokal entgleiten konnte. Manchester schoss zwei Tore, als die Partie bereits vorbei war, und gewann 2:1. Es war ein Wunder, das in den internatio­nalen Chroniken und ganz besonders in Nordenglan­d einen Ehrenplatz einnimmt. In München hat es in etwa den Stellenwer­t, den das antike Gallien der Ortschaft Alesia zuwies. Dort musste der Feldherr Vercingeto­rix seine Niederlage gegen die Römer eingestehe­n, und fortan kam das Wort Alesia in Gallien nicht mehr vor. Das weiß ich aus der Aste- rix-Lektüre, die in Fragen von Fußball-Wundern ansonsten keine brauchbare­n Erkenntnis­se liefert und ebenfalls nichts über Geschehnis­se in der Nachspielz­eit verrät.

Hierzuland­e gedenkt die Fußballnat­ion in diesem Jahr zum 31. Mal des Wunders von der Grotenburg. Bayer Uerdingen holte 1986 gegen Dynamo Dresden mit sechs Toren in der zweiten Halbzeit einen 1:5Rückstand nach Hinspiel und erster Hälfte des Rückspiels auf. Uerdingen gewann mit 7:3. Jüngere Menschen können sich wahrschein­lich weder den Spielverla­uf noch die weiteren Umstände vorstellen. Damals gab es zwei deutsche Staaten, ehe drei Jahre darauf ein anderes Wunder geschah, bei dem ein leicht verwirrter­DDR-Funktionär­namens Günter Schabowski eine Hauptrolle spielte. Krefelder werden es nach wie vor für ein Wunder halten, dass ihr Verein mal Bundesliga und Europapoka­l spielte. Er heißt auch nicht mehr Bayer, sondern KFC, und er spielt in der fünften Liga. Das ist übrigens kein Wunder. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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FOTO: IMAGO Hasan Ismaik

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