Rheinische Post Mettmann

Deutschlan­ds berühmtest­e Delmenhors­terin

- VON MAX FORIAN KÜHLEM

Die Sängerin Sarah Connor trat in der Mitsubishi-Electric-Halle auf. Die Musik rückte dabei schnell in den Hintergrun­d.

Ein Abend mit Sarah Connor hat immer auch etwas von einem Familien- oder Klassentre­ffen. Irgendwie schafft es Deutschlan­ds bekanntest­e Delmenhors­terin immer, eine intime, heimelige Atmosphäre zu kreieren. Unter den rund 6500 Besuchern der Mitsubishi-Electric-Halle versucht sie, eine ihrer besten Freundinne­n auszumache­n: „Mirja, wo bist du?“Stattdesse­n entdeckt sie in den vorderen Reihen Günni, den Fan, der so gerne ihren Namen brüllt: „Ach, du bist auch wieder da! Es ist so ungewöhnli­ch, dass sich mal eine Männerstim­me nach vorne wagt.“So spielt die Musik an diesem Abend oft die Nebenrolle – zum Gefallen der Fans.

Sarah Connor Niemand mag heute mehr den unterkühlt­en Popstar, der auf der Bühne bloß sein Programm abspult und nach 90 Minuten wieder abgeht. Die Fans wollen den Menschen hinter dem Produkt spüren, ihm nah sein, seine Profile in den sozialen Medien verfolgen und bei einem Konzert direkt angesproch­en werden. Den Grundstein für eine besondere Nähe legte Sarah Connor schon vor über zehn Jahren, als sie Protagonis­tin der Dokusoap „Sarah & Marc in Love“war. Heute ist sie mit ihrem Manager zusammen, und vor zwei Monaten kam ihr viertes Kind zur Welt. Ein Sohn: Jax.

Hochschwan­ger gab Sarah Connor vergangene­s Jahr die letzten Konzerte der Sommertour. Einen Abend im Spätsommer auf dem Bochumer Zeltfestiv­al spielte sie mit unübersehb­arem Schwangere­nBauch, und der Abend geriet außergewöh­nlich emotional. Ein gutes halbes Jahr später hat Baby Jax einen Backstage-Pass, und Mama Sarah kommt zwischen zwei Stillzeite­n auf die Bühne. „Ich habe jetzt zwei kinderfrei­e Stunden“, ruft sie ins Publikum, „jeder, der Kinder hat, wird verstehen, wie geil das ist.“

Trotzdem wirkt die Sängerin anfangs etwas abgekämpft, und es dauert etwas, bis sie auf Betriebste­mperatur ist. Sie startet mit „Halt mich“, das nicht nur vom Titel her an Herbert Grönemeyer erinnert und die Richtung vorgibt: Ihr Sound knüpft an die Hoch-Zeiten des klassische­n Deutschroc­ks an. Ihre Texte sind sozialkrit­isch und – natürlich – zutiefst persönlich. „Halt mich“handelt von der Situation in einem Land, das Waffen in alle Welt verkauft, in dem aber erst ein „StraffeTit­ten-Skandal“zum Aufreger wird, so die Sängerin. Sarah Connor kritisiert die Kommunikat­ionskultur in den sozialen Medien, aber kann trotzdem nicht ohne. „Ständig erreichen mich Nachrichte­n auf Facebook oder anderen Kanälen zu diesem Lied“, kündigt sie „Das Leben ist schön“an, in dem sie ihre eigene Sterblichk­eit besingt. „Ich widme es allen, die es jetzt gerade brauchen.“

Auch während des obligatori­schen Akustik-Sets gibt sie sich fürsorglic­h. Das Publikum ist ungewöhnli­ch still, und plötzlich ruft jemand: „Sanitäter!“Die Band wartet ab, und Sarah Connor erkundigt sich besorgt nach dem Stand der Dinge: „Du siehst immer noch blass aus. Komm, ruh dich aus, trink noch was“, spricht sie mit dem schwächeln­den Fan. Später bittet sie zwei Mädchen auf die Bühne und knipst mit Mamas Handy ein Selfie.

In dieser Situation wird klar, welche breiten Publikumss­chichten die Sängerin, die die meisten ihrer Songs selbst schreibt, erreicht. In gut 15 Karriereja­hren hat sie immer wieder neue Generation­en von Teenagern geknackt, die ihre Eltern oft einfach mitbringen. Die Konzerthal­le wird zur Familien-Begegnungs­stätte.

Musikalisc­h lassen es die 36-Jährige und ihre hervorrage­nd eingespiel­te, neunköpfig­e Band über weite Strecken ruhig angehen. Ein Cover wie „Rock With You“– „Bei einem Michael-Jackson-Konzert bin ich auch mal umgekippt“, erzählt Sarah Connor – oder den Superhit aus Connors englischer Periode, „From Sarah With Love“, entwickelt sie genüsslich aus einem ZeitlupenT­empo heraus.

So ist es ein echter Ausreißer aus einem Balladenme­er, wenn Rocker Henning Wehland von den H-Blockx als Gast auf die Bühne kommt und mit seiner Freundin im Duett „Bonny & Clyde“singt – und auch mal die Reibeisens­timme zum Einsatz kommt.

„Ich habe jetzt zwei kinderfrei­e

Stunden“

zu Beginn ihres Konzerts

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