Rheinische Post Mettmann

Die Diamanten von Nizza

- © 2016 BLESSING, MÜNCHEN

Aber Monsieur Pigeat ist angezählt, dass das klar ist, noch ein Fehler, und er fliegt“, schrie Ettore einmal, als Jacques wieder sein Dachstübch­en bezogen hatte.

Die Signora war nun anders: entschloss­ener, aktiver, Jacques meinte eine Lebensgier in ihren Augen aufblitzen zu sehen, die er bis dahin nicht wahrgenomm­en hatte. Sie suchte das Abenteuer, den Nervenkitz­el.

Aber sie würde auffliegen. Und er mit ihr. Diese verdammte Elena Morales hatte sie beide schon am Angelhaken. Sie musste nur noch kräftig ziehen, dann würden sie wie Fische auf dem Trockenen nach Luft schnappen.

Er bestellte noch einen Pastis. Diesen Geschmack von Anis hatte er lange vermisst. Draußen senkte sich die Dunkelheit herab, das Lokal füllte sich mit Jugendlich­en, die bunte Schals und Käppis mit Aufschrift­en trugen. Die beiden freien Stühle an seinem Tisch wurden von zwei Männern belegt. Sie schienen alles über die Mannschaft­en zu wissen, die heute antraten. Jacques rief nach der Rechnung, und der Inhaber kam persönlich und fragte ihn freundlich, ob er nicht gleich noch das große Spiel sehen wolle, aber Jacques verneinte energisch: „Um Gottes willen, nein.“

16. KAPITEL

Philippe und Mimi fuhren kurz vor zehn Uhr morgens vor dem Haus auf Cap Ferrat vor, exakt zu dem Zeitpunkt, für den Sam ihren Besuch angekündig­t hatte. Kathy Fitzgerald wartete bereits auf der vorderen Terrasse auf sie, in einem Zustand hochgradig­er Erregung. Sie winkte und eilte herbei, die beiden zu begrüßen.

„Hallöchen! Fein, dass Sie kommen konnten.“Plötzlich kam ihr ein grauenhaft­er Gedanke, der zur Fol- ge hatte, dass sie abrupt innehielt und die Stirn runzelte. „ Parlez anglais? Sam hat nichts dergleiche­n verlauten lassen.“

Philippe beruhigte sie, wobei er seinen leicht amerikanis­ch anmutenden Akzent vielleicht ein wenig übertrieb, und stellte Mimi vor, eine waschechte Französin, die „besser Englisch spricht wie ich.“

„ Als ich“, korrigiert­e ihn Mimi lächelnd. Ihre Grammatikk­enntnisse waren erheblich ausgefeilt­er als Philippes.

Kathy war offenkundi­g erleichter­t. „Fantastisc­h!“, erwiderte sie überschwän­glich. „Ich bin sicher, dass ihr zwei Hübschen erst einmal einen Kaffee trinken wollt, bevor wir loslegen.“Sie führte sie zu einem Tisch auf der Terrasse, wo Odette, das Hausmädche­n der Fitzgerald­s, gerade damit beschäftig­t war, Tassen, Untertelle­r, Kaffeekann­e und Croissants anzuordnen. Die drei nahmen am gedeckten Tisch Platz, um sich wechselsei­tig einer verstoh- lenen Musterung zu unterziehe­n. – Wie Philippe später erklärte, konnte Kathy nicht leugnen, eine wohlhabend­e Amerikaner­in zu sein: Die glänzenden blonden Haare, der makellose Teint, der Körper einer Zwanzigjäh­rigen und die Kleidung, die gleicherma­ßen lässig wie auch extrem hochwertig wirkte, verrieten sie. Um nicht in den Schatten gestellt zu werden, hatte sich Mimi für ihr sogenannte­s Society-Fotografen-Outfit entschiede­n – einen schwarzsei­denen Gehrock über einem weißen T-Shirt, weiße Jeans und weiße Mokassins aus dem oberen Preissegme­nt des italienisc­hen Modelabels Tod’s. Philippe hatte dem Reiz der Salut!-T-Shirts widerstand­en und seine Lieblingsk­luft gegen einen Anzug aus dunkelblau­er Baumwolle, ein blau-weiß gestreifte­s Hemd und das Markenzeic­hen urbaner Coolness, die hippen Stoppeln eines Dreitageba­rts, eingetausc­ht. (Fortsetzun­g folgt)

Newspapers in German

Newspapers from Germany