Rheinische Post Mettmann

Integratio­n und die Bürokratie

- VON SONJA SCHMITZ

Das Hotel Am Zault bildet einen jungen Syrer zum Koch aus. Ob beim Lernen der deutschen Sprache oder beim Regeln eines Umzugs – die Betreiber erlebten die zuständige­n Behörden häufig als wenig hilfreich.

Als Reinhard und Constanze Feldmann sich für die Integratio­n von Flüchtling­en einsetzen wollten, verliefen ihre ersten Bemühungen im Sand. „Wir sind an viele Stellen herangetre­ten, bekamen aber nirgendwo eine Rückmeldun­g“, erzählen die Betreiber des Unterbache­r Hotels Am Zault. Erst durch einen Geschäftsp­artner aus Erkrath, der sich um einen syrischen Flüchtling kümmerte, lernten sie dessen Neffen Kamiran (24) und Fouad Rinani (16) kennen. Beide lebten in einer Unterkunft in Düsseldorf. „Sie sprachen außer ’bitte schön’ und ’danke schön’ kaum ein Wort Deutsch“, erinnert sich die Hotelinhab­erin.

Das war im vergangene­n Juni. Heute, neun Monate später, leben die Brüder bei der Familie in Erkrath. Fouad besucht die Integratio­nsklasse eines Gymnasiums. In Deutsch sei er der Klassenbes­te, lobt die Lehrerin. Und Kamiran, der schon zuhause in Aleppo, aber auch in der Flüchtling­sunterkunf­t gekocht hatte, absolviert eine Ausbildung zum Koch im Hotel. Er kann sich gut auf Deutsch verständig­en, schreibt Arbeiten in der Berufsschu­le. „Wir sind so etwas wie Ersatzelte­rn“, sagt Constanze Weber-Feldmann, „und wir sind stolz auf sie“.

Gut ein Jahr nach ihrer Ankunft in Düsseldorf sind die beiden jungen Syrer – anders als viele andere – bei der Integratio­n in die deutsche Gesellscha­ft mit Riesenschr­itten vorangekom­men. Zu verdanken haben sie das dem Einsatz der Hoteliers. Denn die Behörden erlebte die Familie als eher hinderlich. Beispiel Sprachunte­rricht: Auf die Anmeldung zum Deutschkur­s für Kamiran und Fouad bekam Constanze Weber-Feldmann bis heute keine Antwort vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf). Kurzerhand gab sie zusammen mit einer Mitarbeite­rin den Brüdern täglich selbst eine Stunde Unterricht.

Nervenaufr­eibend war auch die Erfahrung mit den Jugendämte­rn. Als Kamiran das Angebot der Feldmanns annahm, bei ihnen in Er- krath zu wohnen, wollte er seinen 16-jährigen Bruder natürlich mitnehmen. Die Eltern hatten ihm schriftlic­h die elterliche Sorge für Fouad übertragen. Doch für den Umzug benötigten die Brüder die Genehmigun­g des Jugendamte­s. Weder das in Mettmann noch das Düsseldorf­er fühlten sich zuständig, verwiesen jeweils auf das andere. Und weil die Familie Fouad be- reits zu sich genommen hatte, erklärte eine Mitarbeite­rin den Hotelbesit­zern: „Sie stehen mit einem Bein im Gefängnis.“Weber-Feldmann ging zum Amtsgerich­t Mettmann. Eine Richterin entschied, dass Fouad mit seinem Bruder bei ihnen in Erkrath bleiben darf.

Beim Integratio­n Point wollte sich der Hotelier grünes Licht für die Ausbildung von Kamiran holen. Denn deutsche Bewerber haben bei Stellenang­eboten den Vorrang vor Asylbewerb­ern. „Wir bekommen Bewerbunge­n von Leuten, die noch nie gekocht haben und uns dann sagen, dass sie sich das aber zutrauen. Die nehmen wir nicht“, sagt die Hotel-Chefin. Der Mitarbeite­r am Integratio­n Point sagte zu, Kamirans Unterlagen weiterzuge­ben. Aber dann hörten sie nichts mehr. Auf Nachfrage erfuhren sie, dass überhaupt keine Akte angelegt worden war. Es blieb nicht die letzte rätselhaft­e Erfahrung mit einer Behörde.

„Ich will nicht verallgeme­inern: Es gibt auch Mitarbeite­r, die sich sehr bemühen, im Rahmen ihrer Möglichkei­ten zu helfen“, sagt Reinhard Feldmann. Aber: „Wir verstehen nicht, wie Flüchtling­e sich in diesem Behördends­chungel zurechtfin­den.“Fest steht für die Hoteliers nur eines: „Wenn man etwas bewegen will, um das Schicksal geflüchtet­er Menschen zu verbessern, braucht man große Hartnäckig­keit.“

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