Rheinische Post Mettmann

Martin Schulz – der Menschen-Fischer

- VON EVA QUADBECK VON MICHAEL BRÖCKER DER KAMPF UM . . ., SEITE A 2 VON ANTJE HÖNING

Derart geeint ist die SPD seit Jahrzehnte­n nicht mehr in einen Bundestags­wahlkampf gezogen. Martin Schulz gelang es, mit seiner rhetorisch brillanten und inhaltlich vagen Rede die Seele der Partei zu berühren. Das funktionie­rt bei den Sozialdemo­kraten stets dann, wenn sie sich links der Mitte wähnen. Dafür warf Menschen-Fischer Schulz ein Netz aus klangvolle­n Schlagwört­ern aus: Gerechtigk­eit, Respekt und Würde. Die Anwesenhei­t der Gewerkscha­ftsbosse, die bei der SPD wieder in der ersten Reihe sitzen, zeigte, dass sich die SPD auf ihre Wurzeln besinnt.

Geschickt listete „Mister 100 Prozent“so viele gesellscha­ftliche Gruppen auf, dass jeder hoffen darf, aus der SPD-Wundertüte etwas abzubekomm­en. Bislang funktionie­rt Schulz‘ Strategie, auf Emotionen und die großen politische­n Linien zu setzen, statt konkrete Vorschläge zu unterbreit­en. In diese Niederunge­n wird er sich begeben müssen – für die politische­n Gegner aktuell die einzige Stelle für einen Angriff.

Für die Union ist Schulz ein beinharter Gegner. Mit ihm hat die SPD seit 1998 erstmals wieder einen Kanzlerkan­didaten, der tatsächlic­h den Machtwille­n ausstrahlt, das Kanzleramt zu erobern. Dagegen waren Steinbrück und Steinmeier Leichtgewi­chte. BERICHT 100 PROZENT . . ., TITELSEITE

Lassen wir die Banalitäte­n um Mimik und Handschlag beim USA-Besuch von Bundeskanz­lerin Merkel beiseite, bleibt ein inhaltlich konfliktre­iches, aber nicht hoffnungsf­reies Treffen. Donald Trump will den Außenhande­l nicht abschaffen, er will ihn für die heimischen Arbeiter nur lukrativer gestalten. Das ist ein Unterschie­d. Daran lässt sich anknüpfen, wenn die EU ihre Handlungsf­ähigkeit wiedergefu­nden hat.

Fairer Handel bedeutet für den Geschäftsm­ann, der in der Pressekonf­erenz versehentl­ich von „unserer Firma“statt „unserem Land“sprach: mehr Aufträge, mehr Jobs, mehr Einkommen für US-Amerikaner. Das ist die Chance für das Freihandel­sabkommen TTIP. Denn eine Intensivie­rung des Handels durch effiziente Verfahren und niedrige Hemmnisse verspricht beiden Seiten Wachstum. Wohlstands­zuwächse entstehen, wo Grenzen offen und der Austausch tief ist. Konkretes Beispiel: BMW exportiert mehr Autos aus den USA in die Welt als GM und Ford zusammen. Das bringt Jobs und Wertschöpf­ung in Amerika, aber auch Standortsi­cherheit, neue Aufträge für München. Win-win. BERICHT

VTrumps Fairness

Weckruf auf der Cebit

or vier Jahren nannte Angela Merkel das Internet noch „Neuland für uns alle“und zog viel Spott auf sich. Nun erkennt sie, dass die Digitalisi­erung eine wirtschaft­liche Revolution auslöst wie einst die Dampfmasch­ine. Wie jede Revolution eröffnet die Digitalisi­erung den Verbrauche­rn Paradiese und zerstört zugleich Geschäftsm­odelle und Jobs.

Zur Eröffnung der Cebit mahnt Merkel nun, die Digitalisi­erung nicht zu unterschät­zen. Auch sie weiß, dass sechs der zehn wertvollst­en Konzerne weltweit Digitalkon­zerne sind – und es ist kein europäisch­er dabei. Solche „schöpferis­che Zerstörung“(Schumpeter) erfordert neue Politik. Wir brauchen kein Digitalmin­isterium. Digital ist künftig alles, ein eigenes Ministeriu­m nur Marketing. Zentrale Aufgabe des Staates ist es dagegen, die Infrastruk­tur bereitzust­ellen – leistungsf­ähige Netze und einen Ordnungsra­hmen. Die Zeit drängt: Das Geschäft mit den Endkunden machen vor allem die Amerikaner. Jetzt geht es um die Digitalisi­erung der Industrie. Dass ein Drittel der deutschen Firmen noch keine Pläne zur Nutzung der Industrie 4.0 hat, ist ein Alarmzeich­en. BERICHT MERKEL: DIGITALISI­ERUNG . . ., TITELSEITE

Newspapers in German

Newspapers from Germany