Martin Schulz – der Menschen-Fischer
Derart geeint ist die SPD seit Jahrzehnten nicht mehr in einen Bundestagswahlkampf gezogen. Martin Schulz gelang es, mit seiner rhetorisch brillanten und inhaltlich vagen Rede die Seele der Partei zu berühren. Das funktioniert bei den Sozialdemokraten stets dann, wenn sie sich links der Mitte wähnen. Dafür warf Menschen-Fischer Schulz ein Netz aus klangvollen Schlagwörtern aus: Gerechtigkeit, Respekt und Würde. Die Anwesenheit der Gewerkschaftsbosse, die bei der SPD wieder in der ersten Reihe sitzen, zeigte, dass sich die SPD auf ihre Wurzeln besinnt.
Geschickt listete „Mister 100 Prozent“so viele gesellschaftliche Gruppen auf, dass jeder hoffen darf, aus der SPD-Wundertüte etwas abzubekommen. Bislang funktioniert Schulz‘ Strategie, auf Emotionen und die großen politischen Linien zu setzen, statt konkrete Vorschläge zu unterbreiten. In diese Niederungen wird er sich begeben müssen – für die politischen Gegner aktuell die einzige Stelle für einen Angriff.
Für die Union ist Schulz ein beinharter Gegner. Mit ihm hat die SPD seit 1998 erstmals wieder einen Kanzlerkandidaten, der tatsächlich den Machtwillen ausstrahlt, das Kanzleramt zu erobern. Dagegen waren Steinbrück und Steinmeier Leichtgewichte. BERICHT 100 PROZENT . . ., TITELSEITE
Lassen wir die Banalitäten um Mimik und Handschlag beim USA-Besuch von Bundeskanzlerin Merkel beiseite, bleibt ein inhaltlich konfliktreiches, aber nicht hoffnungsfreies Treffen. Donald Trump will den Außenhandel nicht abschaffen, er will ihn für die heimischen Arbeiter nur lukrativer gestalten. Das ist ein Unterschied. Daran lässt sich anknüpfen, wenn die EU ihre Handlungsfähigkeit wiedergefunden hat.
Fairer Handel bedeutet für den Geschäftsmann, der in der Pressekonferenz versehentlich von „unserer Firma“statt „unserem Land“sprach: mehr Aufträge, mehr Jobs, mehr Einkommen für US-Amerikaner. Das ist die Chance für das Freihandelsabkommen TTIP. Denn eine Intensivierung des Handels durch effiziente Verfahren und niedrige Hemmnisse verspricht beiden Seiten Wachstum. Wohlstandszuwächse entstehen, wo Grenzen offen und der Austausch tief ist. Konkretes Beispiel: BMW exportiert mehr Autos aus den USA in die Welt als GM und Ford zusammen. Das bringt Jobs und Wertschöpfung in Amerika, aber auch Standortsicherheit, neue Aufträge für München. Win-win. BERICHT
VTrumps Fairness
Weckruf auf der Cebit
or vier Jahren nannte Angela Merkel das Internet noch „Neuland für uns alle“und zog viel Spott auf sich. Nun erkennt sie, dass die Digitalisierung eine wirtschaftliche Revolution auslöst wie einst die Dampfmaschine. Wie jede Revolution eröffnet die Digitalisierung den Verbrauchern Paradiese und zerstört zugleich Geschäftsmodelle und Jobs.
Zur Eröffnung der Cebit mahnt Merkel nun, die Digitalisierung nicht zu unterschätzen. Auch sie weiß, dass sechs der zehn wertvollsten Konzerne weltweit Digitalkonzerne sind – und es ist kein europäischer dabei. Solche „schöpferische Zerstörung“(Schumpeter) erfordert neue Politik. Wir brauchen kein Digitalministerium. Digital ist künftig alles, ein eigenes Ministerium nur Marketing. Zentrale Aufgabe des Staates ist es dagegen, die Infrastruktur bereitzustellen – leistungsfähige Netze und einen Ordnungsrahmen. Die Zeit drängt: Das Geschäft mit den Endkunden machen vor allem die Amerikaner. Jetzt geht es um die Digitalisierung der Industrie. Dass ein Drittel der deutschen Firmen noch keine Pläne zur Nutzung der Industrie 4.0 hat, ist ein Alarmzeichen. BERICHT MERKEL: DIGITALISIERUNG . . ., TITELSEITE