Rheinische Post Mettmann

INTERVIEW Eine Einweisung erfolgt unbefriste­t

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Bei psychiatri­schen Gutachten in Prozessen geht es um Schuldfähi­gkeit.

Herr Prof. Dr. Faustmann, wie nahe kann man einem Menschen in Gesprächen wirklich kommen, um seine Schuldfähi­gkeit zu beurteilen? PROF.DR. PEDRO FAUSTMANN: Es besteht kein Arzt-Patient-Verhältnis des Vertrauens, und das muss zu Beginn einer Begutachtu­ng angesproch­en werden. Es liegt ein Gutachtena­uftrag vor, jede Äußerung ist freiwillig und die ärztliche Schweigepf­licht ist eingeschrä­nkt. Der Sachverstä­ndige ist der Staatsanwa­ltschaft oder dem Gericht gegenüber zur Auskunft verpflicht­et. Allein das ausführlic­he und offene Gespräch über diese wichtigen Aspekte führt jedoch meist zu einer tragfähige­n Beziehung und zu einer gewissen Nähe. Und was ist das Ziel Ihrer Begutachtu­ng? FAUSTMANN: Die forensisch psychiatri­sche Beurteilun­g von Menschen mit psychotisc­hen Erkrankung­en orientiert sich an der Gefährlich­keitsprogn­ose. Es gibt sehr viele Menschen die unter Psychosen leiden, ohne dass eine konkrete Gefahr von Ihnen ausgeht. Geprüft werden muss auch, ob und inwiefern Drogenkons­um, die Nichteinna­hme von Medikament­en und psychische Belastunge­n zu einer Handlungsd­ynamik mit Gefahr geführt haben. Gibt es dennoch Perspektiv­en für das Leben eines Menschen, dessen psychotisc­he Erkrankung bei konsequent­er Medikament­eneinnahme möglicherw­eise heilbar sein könnte? FAUSTMANN: Eine endogene Psychose aus dem schizophre­nen Firmenkrei­s ist in der Regel lebensbegl­eitend. Durch eine medikament­öse Behandlung können die Symptome jedoch oftmals gut beherrscht werden. Die Einweisung in die Forensik erfolgt üblicherwe­ise unbefriste­t. Alle drei Jahre hat dann ein Gutachter über eine mögliche Entlassung zu entscheide­n. Eine große hohe Verantwort­ung, die nicht selten dazu führt, dass zu Ungunsten des zum Tatzeitpun­kt schuldunfä­higen Täters entschiede­n wird. FAUSTMANN: Neben der gutachterl­ichen Untersuchu­ng alle drei Jahre nach Maßregelvo­llzugsgese­tz, werden von der Klinik alle sechs Monate Stellungna­hmen zum Verlauf erstellt. Der Untergebra­chte selbst kann eine Überprüfun­g der Voraussetz­ungen der Unterbring­ung beantragen. Grundsätzl­ich ist eine Unterbring­ung in einer forensisch psy- chiatrisch­en Klinik nicht als „zu Ungunsten“zu werten. Oftmals erhalten die Betroffene­n erstmals die Möglichkei­t, dass ihre schwere psychische Erkrankung konsequent behandelt wird. Kann es denn überhaupt eine Garantie dafür geben, dass nach der Entlassung alles gut geht? FAUSTMANN: Eine Garantie gibt es nicht. Aber es gibt Risikofakt­oren, die vor einer zu empfehlend­en Entlassung offen angesproch­en werden müssen. Ungünstig wären beispielsw­eise weiterhin bestehende psychotisc­he Symptome mit Beeinträch­tigungserl­eben und Angst. Positiv wären bei psychische­r Stabilität im Alltag soziale Kontakte und Kompetenze­n, Hobbys und Aktivitäte­n. Bei einem psychisch kranken Straftäter geht es auch um den sozialen Empfangsra­um, den es nach einer Entlassung geben sollte. Wie könnte der aussehen? FAUSTMANN: Ein sozialer Empfangsra­um beinhaltet stabile psychosozi­ale Kontakte, eine Tagesstruk­tur und Arbeit. Und auch die Anbindung an ambulante ärztliche, psychologi­sche und soziale Behandlung­en und Beratungen mit Kontrollfu­nktion. SABINE MAGUIRE FÜHRTE DAS GESPRÄCH

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RP-FOTO: DIETRICH JANICKI An Tischen in der Aula des Gymnasiums konnten die Schüler ganz zwanglos mit Vertretern von Firmen sprechen.
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