Kein Vor und kein Zurück mehr auf der A1
Nach einem schweren Unfall saßen am Montag Hunderte Menschen auf der A 1 in Richtung Dortmund stundenlang fest. Die Feuerwehr versorgte sie mit Snacks und Getränken. Erst gestern Nachmittag waren alle Fahrstreifen wieder frei.
MÜNSTER Knapp 20 Minuten braucht Katharina H.* normalerweise für ihren Weg vom Büro nach Hause. Am Montag wurden fünf Stunden daraus. Denn die 35-Jährige stand auf der vollgesperrten Autobahn 1 bei Münster.
Am frühen Nachmittag war ein Tanklastwagen auf ein Fahrzeug der Autobahnmeisterei Münster aufgefahren. Die beiden Fahrer wurden schwer verletzt in Krankenhäuser gebracht. Der mit einem chemischen Farbstoff beladene Lkw stand so unglücklich auf der A 1, dass die viel befahrene Strecke in Richtung Ruhrgebiet komplett gesperrt werden musste. Insgesamt 2000 Fahrer waren davon betroffen. Nach Angaben der Feuerwehr konnten die meisten Fahrzeuge aber weder umgeleitet noch konnten die Leitplanken geöffnet werden. „Die Auto-
Sprecher der Feuerwehr bahn ist an dieser Stelle mit festen Betonelementen abgesichert.“Manche Menschen saßen so bis zu sieben Stunden fest.
Katharina H. fuhr gerade an der Raststätte Münsterland-West vorbei, als die Wagen vor ihr plötzlich bremsten. „Ich bin ziemlich in die Eisen gegangen und habe die Warnblinker angeschaltet“, erinnert sie sich. Ihr Wagen kam zum Stehen. Stau. Nach und nach sah die Frau Rettungsfahrzeuge vorbeifahren: Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen, Notarzt. Später zwei Abschleppwagen. „Man fragt sich natürlich schon, was gewesen wäre, wenn man einige Minuten früher losgefahren wäre“, sagt die 35-Jährige. Doch die junge Frau hatte Glück – sie hatte Wasser sowie zuvor eingekauftes Brot im Auto. Zudem stand ihr Auto in der Nähe des Rasthofs: Ein Gang zur Toilette war somit kein Problem.
Die ersten Informationen bekam Katharina H. von Lkw-Fahrern: „Die haben sich über Funk Infos von ihren Kollegen geholt, die weiter vorne standen.“Immer wieder hätten Autofahrer, meist mit einem Kennzeichen aus der Region, den Ausweg über den Rasthof und die dahinterliegenden Versorgungswege genommen, die in einem Wohngebiet enden. „Ich kenne die Schleichwege auch alle“, sagt Katharina H. Trotz- dem blieb sie auf der Autobahn. „Ich wollte die Rettungskräfte nicht blockieren.“Denn immer wieder seien Einsatzfahrzeuge über diese Wege gefahren und dort durch die Autos behindert worden.
Die rund 600 feststeckenden Auto- und Lkw-Fahrer wurden nach zwei- bis dreistündiger Wartezeit schließlich von der Feuerwehr Münster sowie den Hilfsorganisationen der Stadt versorgt. „Mit 80 Mann haben wir Kaltgetränke und Snacks wie Schokoriegel und Kekse verteilt“, sagt ein Sprecher der Feuerwehr. Die Hilfsorganisationen seien jederzeit auf derartige Fälle vorbereitet. Und die seien auch gar nicht so selten wie vielleicht angenommen. Bei Bombenentschärfungen beispielsweise kämen Vorräte wie diese oft zum Einsatz.
Zu Notfällen oder Ähnlichem sei es laut der Feuerwehr unter den Wartenden aber nicht gekommen, sie alle hätten ohne Probleme ausharren können. „Wir mussten nur drei Transporter mit lebenden Tieren durch die Rettungsgasse aus dem Stau befreien“, sagt der Feuerwehrsprecher. Es habe sich dabei um einen Geflügel-, einen Schweine- sowie einen Fischtransporter gehandelt.
Erst am Abend konnten die Autofahrer über die Standspur und sogenannte Bedarfsabfahrten, also Zulieferwege hinter dem Rasthof Münsterland-West, von der Autobahn geleitet werden. So auch Katharina H.: Nach fünf Stunden Wartezeit auf der A 1 konnte sie endlich nach Hause fahren – mit noch etwas Stau auf der Landstraße.
Die Lkw-Fahrer dagegen mussten die Nacht in ihren Fahrzeugen auf der Autobahn verbringen. Einsatzkräfte weckten die Fahrer gestern Morgen, nachdem eine der Fahrspuren wieder freigegeben worden war. Verlassen werden dürfen Fahrzeuge, egal ob Auto oder Lkw, während eines Staus laut des Verkehrsrechtlers Peter-Josef Krall aus Mönchengladbach nämlich nicht. „Da nie exakt abzusehen ist, wann ein Stau tatsächlich endet, müssen die Fahrzeuge immer fahrbereit sein“, sagt der Experte. Zudem müsste jederzeit eine Rettungsgasse gebildet werden können.
Ab gestern Mittag war auch ein zweiter Fahrstreifen wieder befahrbar. Trotzdem stauten sich die Autos nach Polizeiangaben noch immer auf rund acht Kilometern Länge. Erst am Nachmittag waren alle drei Fahrstreifen wieder freigegeben.
„Wir mussten drei Transporter mit lebenden Tieren aus dem Stau befreien“
* Name geändert