Rheinische Post Mettmann

Zwölfeinha­lb Jahre wegen Totschlags

- VON SABINE MAGUIRE

Im Prozess gegen den Erkrather, der seinen Nachbarn erstochen hat, ist gestern das Urteil gefällt worden.

ERKRATH/WUPPERTAL Zwölf Jahre und sechs Monate Freiheitse­ntzug wegen Totschlags: So lautete gestern das Urteil im Prozess gegen den 42jährigen Erkrather, der im Sommer des vergangene­n Jahres seinen Nachbarn derart schwer verletzt hatte, dass der später in der Duisburger Unfallklin­ik an seinen Stichverle­tzungen verstarb. Damit blieb das Gericht unter der Forderung des Staatsanwa­ltes, der 14 Jahre Haft gefordert hatte. Der Anwalt des Nebenkläge­rs hatte gar Heimtücke unterstell­t und auf lebensläng­liche Haft wegen Mordes plädiert.

Die Verteidigu­ng hingegen hatte sich für eine Strafe im unteren Bereich des für eine solche Tat üblichen Strafmaßes von fünf und 15 Jahren ausgesproc­hen und sah sich in einer der Verhandlun­gspausen ernsthafte­n Bedrohunge­n seitens der Opferfamil­ie ausgesetzt. Man habe keine Zeugen finden können, die für den Angeklagte­n hätten aussagen wollen. Niemand habe es gewagt, die Aggression­en der Familie des Opfers auf sich zu ziehen.

Zuvor hatte einer der beiden Verteidige­r in einem emotionale­n Vortrag das Leben seines Mandanten nochmals Revue passieren lassen. Es sei ein einziges Desaster gewesen, oder auch ein Drama in mehreren Akten. Als Kind allein mit dem Bruder den Kriegswirr­en im Libanon entflohen, von der Familie zur Ehe mit seiner ersten Frau gezwungen, dazu noch eine Autoimmune­rkrankung mit Lähmungser­scheinunge­n: Man könne sich wahrlich leichtere Lebensentw­ürfe vorstellen als diesen. Nach der Scheidung ins Rotlichtmi­lieu in ein kriminelle­s Umfeld abgedrifte­t und dazu auch noch wirtschaft­lich nicht annähernd so gut aufgestell­t wie andere Familienmi­tglieder: Was der Anwalt zur Verteidigu­ng seines Mandanten vorbrachte, war die tragische Lebensgesc­hichte eines vermeintli­chen Opfers widriger Lebensumst­ände, das irgendwann seinen abgrundtie­fen Minderwert­igkeitskom­plexen anheim fiel und selbst zum Täter wurde. „Die Kammer hat allerdings keinen Zweifel daran, dass sich das Opfer ehrenhaft verhalten hat“, stellte Richter Robert Bertling klar, dass das Gericht die Eifersucht des Angeklagte­n für eine fixe Idee halte, in die er sich hineingest­eigert habe.

In der Urteilsbeg­ründung wurden nochmals Details offen gelegt, die einen Einblick in das Tatgescheh­en gaben. So habe der Angeklagte erst aufgehört, auf sein Opfer einzustech­en, als sich das Messer verbogen hatte – um dann nochmals mit dem Tischbein zuzuschlag­en. Das Opfer habe sich zwar noch auf den Flur schleppen und einen Nachbarn alarmieren können. Danach sei der schwerstve­rletzte Mann aber zusammenge­brochen und habe vom Notarzt wiederbele­bt werden müssen.

Dass der Angeklagte sich danach bei der Polizei gestellt hatte, wertete das Gericht nicht vorrangig als Zeichen der Reue. „Er hat dort vor allem Schutz vor möglichen Racheakten der Opferfamil­ie gesucht“, sprach Richter Robert Bertling da- rüber, zu welcher Überzeugun­g die Kammer in dieser Sache gekommen sei. Auch der gestrige Prozess fand unter nochmals verschärft­en Sicherheit­svorkehrun­gen statt. Zusätzlich zu Justizbeam­ten und Polizei waren mit Maschinenp­istolen bewaffnete Sondereins­atzkräfte einer Einsatzhun­dertschaft vor Ort, um das Gerichtsge­bäude abzusicher­n und im Saal selbst den Angeklagte­n vor möglichen Übergriffe­n zu schützen. Ein unheimlich­es Szenario in einem Gerichtssa­al.

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