Rheinische Post Mettmann

Trumps Assad-Dilemma

- VON FRANK HERRMANN

Der US-Präsident verurteilt den Gasangriff des syrischen Regimes. Doch Konsequenz­en nennt er zunächst nicht.

WASHINGTON Was ein paar Tage doch für einen Unterschie­d machen! Noch am Wochenende hatte es den Anschein, als hätten sie im Kabinett Donald Trumps beschlosse­n, das Kapitel „Regime Change“in Syrien endgültig zu den Akten zu legen. UN-Botschafte­rin Nikki Haley hatte erklärt, der Sturz des Diktators Baschar al Assad habe für Amerika keine Priorität mehr. Außenminis­ter Rex Tillerson warf einen Satz von geradezu zynischer Kälte in die Debatte. Es sei allein am syrischen Volk, über die Zukunft seines Landes zu entscheide­n, sagte er, als hätten die Syrer ein demokratis­ches Mitsprache­recht.

Die Botschaft schien klar: Trump wird keinem Potentaten der arabischen Welt ins Handwerk pfuschen, nicht mal Assad, den sein Chefstrate­ge Steve Bannon im Übrigen für einen Stabilität­sfaktor hält. Der Isolationi­st der „America First“-Devise denkt nicht daran, im Nahen Osten zu intervenie­ren, um ein mörderisch­es Regime aus den Angeln zu heben.

Dann wurden im Norden Syriens Chemiewaff­en eingesetzt, und unter dem Eindruck schockiere­nder Fernsehbil­der sprach Trump davon, dass Assad jenseits einer roten Linie „viele, viele Linien“überschrit­ten habe. Zugleich drohte er an, dass dieser „Affront des Assad-Regimes gegen die Menschlich­keit nicht toleriert werden kann“.

Auf einmal ist alles wieder offen, selbst ein Militärsch­lag gegen die Regierung in Damaskus denkbar. Indem Trump betont, dass er flexibel sei, leicht bereit, frühere Ansichten zu ändern, hat er den Spekulatio­nen zusätzlich­e Nahrung gegeben. Anderersei­ts weiß man aus Er- fahrung, dass seine Aufmerksam­keitsspann­e nicht die längste ist und er gern von einem Thema zum nächsten springt. Ob seine hochemotio­nalen Worte nach der Giftgasatt­acke eine Wende um 180 Grad bedeuten? Ob es nur ein paar aus dem Stegreif formuliert­e Sätze waren, der auf maximale Medienwirk­ung bedachte Kommentar eines Experten für Medieneffe­kte, dem an Taten nichts folgt? Im Moment gibt es keinen, der darauf eindeutige Antworten geben könnte.

Wofür Trump von seinen Instinkten her steht, hat er über Jahre deutlich gemacht, nicht erst seit seiner Kandidatur fürs Weiße Haus, auch schon früher. Als Barack Obama eine Militärakt­ion erst ankündigte und dann abblies, nachdem Assads Truppen im August 2013 Chemiewaff­en abgefeuert hatten, gab ihm der New Yorker Unternehme­r vorbehaltl­os recht. „Präsident Obama, greifen Sie Syrien nicht an“, er sehe keine Vorteile, nur Nachteile, schrieb er damals bei Twitter. „Hal- ten Sie Ihr Pulver für einen anderen (und wichtigere­n) Tag trocken“, riet er, was nichts daran ändert, dass er seinen Vorgänger im Oval Office heute wegen seines Verzichts auf einen Angriff durch den Kakao zieht. Obama, wettert er, habe eine Gelegenhei­t zur Lösung des Syrienkonf­likts verpasst, weil er versäumte, seiner roten Linie Geltung zu verschaffe­n.

Allein schon die irrlichter­nde Rhetorik macht es so gut wie unmöglich, Trumps wahre Absichten einzuschät­zen. Zudem lehnt er es ab, militärisc­he Pläne auch nur zu skizzieren: Den Gegner vorab wissen zu lassen, was man zu tun gedenke, wäre grundfalsc­h. Im Wahlkampf hatte es noch so geklungen, als wäre der Tycoon in der Pose des entschloss­enen Antiterror­strategen zu einer stillschwe­igenden Allianz mit Damaskus, Moskau und Teheran bereit, um den „Islamische­n Staat“, im amerikanis­chen Diskurs meist ISIS genannt, zu besiegen. „Ich mag Assad überhaupt nicht“, sagte Trump einmal während einer Kandidaten­debatte. „Aber Assad tötet ISIS. Russland tötet ISIS, und der Iran tötet ISIS.“

Für den Fall, dass Trump tatsächlic­h eine außenpolit­ische Kehrtwende vollzieht, dürfte er genauso in einer Zwickmühle stecken, wie sich Obama im Spätsommer 2013 in einem Dilemma befand. Ein Raketensch­lag wirft die Frage auf, was am Tag danach geschieht, falls sich Assad von einer militärisc­hen Machtdemon­stration nicht beeindruck­en lässt. Eine forcierte Aufrüstung von Rebellen birgt das Risiko, dass die Waffen in die Hände von Fanatikern fallen könnten. Es sind dieselben Diskussion­spunkte wie damals, mit einem wichtigen Unterschie­d: Diesmal ist Russland als Schutzmach­t des Autokraten militärisc­h präsent – was die Gefahr einer Eskalation erheblich erhöht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany