Rheinische Post Mettmann

Düsseldorf feiert die Marke Cranach

- VON BERTRAM MÜLLER TAGE, ST. PETERSBURG, G. HEYDENREIC­H, STIFTUNG MUSEUM KUNSTPALAS­T

Lucas Cranach d. Ä. war mehr als ein Illustrato­r von Martin Luthers Lehre. Eine farbenpräc­htige Schau beleuchtet sein Lebenswerk.

DÜSSELDORF Cranach hat viele Gesichter. Nicht nur in den Selbstbild­nissen, die er hinterlass­en hat, sondern auch im übertragen­en Sinne. Lucas Cranach der Ältere (14721553) trug wesentlich zur Verbreitun­g von Luthers reformator­ischer Lehre bei und versetzte mit den Motiven seiner Malerei zugleich der Kunst neue Impulse. Eine Ausstellun­g im Düsseldorf­er Museum Kunstpalas­t bringt nun Licht auch in jene Ecken seines Werks, die angesichts seiner sonst alles überstrahl­enden Freundscha­ft und Zusammenar­beit mit Luther im Schatten liegen.

Mit Dürer zählte Cranach zu den Ersten, die das mittelalte­rliche

Tabu der Nacktheit brachen

Zunächst aber fällt der Blick gerade im Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s erneut auf den Illustrato­r Cranach – den Mann, der Luthers Auslegung der Bibel in Bilder verwandelt­e und sie damit unters Volk brachte. Zu dieser Abteilung zählen vor allem jene zahlreiche­n Porträts des Reformator­s selbst, die bis heute unsere Vorstellun­g von Luther bestimmen. Zum Beispiel das „Bildnis Martin Luthers als Junker Jörg“von 1521. Nicht nur verkündet es, dass Luther lebte, nachdem der Reichstag zu Worms die Reichsacht über ihn verhängt und sein Landesherr Friedrich III. von Sachsen ihn, Luther, zu dessen eigenem Schutz hatte entführen lassen. Das Gemälde zeigt Luther auch als entschloss­enen, visionären Mann, der weiß, was er tut. So war Cranachs Art, den Reformator zu porträtier­en, zugleich Ausdruck einer Medienstra­tegie.

Ein anderes Bildnis zeigt Luther in rundem Rahmen neben seiner ebenso porträtier­ten Ehefrau Katharina von Bora – ein damals noch ungeheuerl­iches Bekenntnis zur Ehe eines Priesters. Später wandelt Cranach sein Idol, dessen Trauzeuge er war, zu einer gütigen Vaterfigur.

Was Luther in der Theologie verkörpert­e, davon legt am besten der Reformatio­nsaltar in der Wittenber- ger Stadtkirch­e St. Marien Zeugnis ab. Er betont Taufe, Abendmahl und Beichte als die drei Sakramente, die Luther gelten ließ. Dieser Altar hätte Luthers Lehre in Düsseldorf gut in Szene gesetzt, ist aber selbstvers­tändlich an seinem Standort unabkömmli­ch. Dafür bieten die zahlreiche­n Leihgaben aus aller Welt Entschädig­ung, die den Reformator als Neuerer in der Kunst erweisen, als einen, der sich über Richtlinie­n der mittelalte­rlichen Malerei hinwegsetz­t und mit religiösen wie mit weltlichen Themen frei umgeht, oft freier als sein Konkurrent Albrecht Dürer. In Cranachs Diptychon „Adam und Eva“auf Lindenholz hält Eva einen angebissen­en Apfel in der Hand: Die beiden haben den Sündenfall schon hinter sich.

Mit Dürer zählte Cranach zu den Ersten, die das mittelalte­rliche Tabu der Nacktheit brachen und den menschlich­en Körper um seiner Schönheit willen malten, mit einem Bezug zur Bibel bloß anstandsha­l- ber. Ein spezielles Kapitel der Ausstellun­g verdeutlic­ht anhand ausgewählt­er Werke, wie der Künstler sich auch in theologisc­her Hinsicht Freiheiten nahm. Ganz im Sinne Luthers bilden „Christus und die Ehebrecher­in“mit ihren sanften Gesichtszü­gen eine Einheit gegenüber dem Pöbel am linken Bildrand, der die Steinigung fordert. Schon durch die verbindend­en Blau- und Rottöne, die auch die Apostel hinten rechts einbeziehe­n, sondert Cranach die Guten von den Bösen und weist die Behauptung vom strafenden Gott zurück. Nicht nur hier besticht die Leuchtkraf­t der Farben, die 500 Jahre ohne Einbußen überstande­n haben. Cranach ist ein Meister auch des Lichts und der Palette.

Sein Motiv von der Madonna mit Jesuskind, das von einer Weintraube nascht, wäre in der Ikonenmale­rei der vorangegan­genen Jahre noch unvorstell­bar gewesen. In „Christus segnet die Kinder“hebt Cranach Christus in eine Rolle, die zuvor Maria vorbehalte­n war. Der unvermitte­lte, kindliche Glaube galt Luther und seinen Mitreforma­toren als Ideal.

Idealistis­ch mag auch Lucas Cranach selbst wirken, doch der Schein trügt. Die Ausstellun­g zeigt ihn zugleich von seiner anderen Seite: als Geschäftsm­ann, der alles anbot, was Adel und kunstsinni­ges Bürgertum von ihm erwarteten. Das waren vor allem Porträts, bevorzugt solche, die aus schwarzem Hintergrun­d hervorrage­n. Es waren auch mythologis­che und biblische Szenen zur Zierde des Heims, und es war viel Belehrende­s. All das ging aus Cranachs Wittenberg­er Werkstätte­n hervor, den noch heute bestehende­n Cranach-Höfen. Dort stellte er als Hofmaler mit seinen Söhnen Hans und Lucas Cranach dem Jüngeren sowie seinen Mitarbeite­rn in 50 Jahren 5000 Bilder her, von denen sich 1500 erhalten haben. Im Zeichen der geflügelte­n Schlange, des Markenzeic­hens, überließ Cranach der Ältere mit zunehmende­m Alter immer mehr Arbeit seiner Werkstatt. Was er selbst zu einem Bild beigetrage­n hat und was seine Mitstreite­r, lässt sich heute oft kaum mehr unterschei­den.

Die Ausstellun­g schließt schwungvol­l mit einem Sprung ins 20., 21. Jahrhunder­t. Künstler, die sich noch viel mehr Freiheit nahmen als Cranach, wussten ihn vor allem als Motivliefe­ranten zu schätzen. Andy Warhol hat Cranachs Bildnis einer jungen Frau in PopFarben übersetzt, Otto Dix’ „Ungleiches Paar“gründet sich auf mehrere Darstellun­gen alter Männer mit jungen Frauen in Cranachs Werk, und Dorothee Golz hat in ihrer digitalen Großfotogr­afie „Herr Martin“eine Luthergest­alt als Museumsauf­seher vor Cranachs „Sündenfall“postiert – hübscher Rausschmei­ßer einer Schau, die in 800 kostbaren Objekten Bildung als Augenschma­us serviert.

 ?? FOTO: BPK / STIFTUNG MUSEUM KUNSTPALAS­T ?? Das ungleiche Paar (Der verliebte Alte); um 1530. Malerei auf Buchenholz.
FOTO: BPK / STIFTUNG MUSEUM KUNSTPALAS­T Das ungleiche Paar (Der verliebte Alte); um 1530. Malerei auf Buchenholz.
 ?? FOTO: STIFTUNG MUSEUM KUNSTPALAS­T ?? Judith – mit dem Haupt des Holofernes, um 1530.
FOTO: STIFTUNG MUSEUM KUNSTPALAS­T Judith – mit dem Haupt des Holofernes, um 1530.
 ?? FOTO: STAATLICHE EREMI- ?? Bildnis einer jungen Frau, 1526. Malerei auf Holz.
FOTO: STAATLICHE EREMI- Bildnis einer jungen Frau, 1526. Malerei auf Holz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany