Rheinische Post Mettmann

Die Diamanten von Nizza

- © 2016 BLESSING, MÜNCHEN

Es war halb sieben Uhr an diesem glorreiche­n Abend, und die Vorhut war bereits eingetroff­en. Kathy hatte Elena, Mimi, Philippe und Sam gebeten, etwas früher zu erscheinen, und nun nahmen sie gemeinsam mit Coco einen Drink auf der Terrasse ein. Die Gruppe bot ein Bild, das an Eleganz nicht zu übertreffe­n war: Coco und Elena in ihren edelsten langen Abendroben, Mimi in ihrem schwarzsei­denen Gehrock und weißer Seidenhose, Philippe im weißen Smoking und Sam, der es hasste, sich in Schale zu werfen, in seinem schwarzen Beerdigung­sunternehm­er-Anzug, wie er es zu nennen beliebte.

„Coco, ich bin beeindruck­t“, meinte Elena. „Wie haben Sie es nur geschafft, Kathy so viel Arbeit abzunehmen, trotz allem, was Sie selber um die Ohren haben?“

„Oh, es war mir ein Vergnügen – viel einfacher, als einen Haufen Handwerker mit ihren Macken bei Laune zu halten. Obwohl ich zugeben muss, dass die Leute bei Ihrer Küche ganze Arbeit geleistet haben. Ich hoffe, Sie sind zufrieden mit dem Ergebnis.“

„Ich bin begeistert“, rief Elena. „Ich werde Sam zur Feier des Tages eine Kochmütze kaufen.“

Der Küchenchef wider Willen beeilte sich, das Thema zu wechseln. „Erzählen Sie uns etwas über die anderen Gäste.“

„Ich denke, sie werden Ihnen gefallen. Sie sind amüsant, und sie lieben Partys. Nach menschlich­em Ermessen sollte es ein gelungener Abend werden, solange ich Hubert davon abhalten kann, sich zu den Musikern zu gesellen.“„Warum das?“„Er versucht zu singen, und das klingt grauenvoll.“Coco schauderte. „Wie ein quakender Frosch.“

Unterdrück­tes Gekicher und das Klappern hoher Absätze kündigten den großen Auftritt von Kathy, Fitz und ihren sechs Hausgästen an. Die Damen strahlten um die Wette, mit Diamanten behängt – Colliers und Ohrringe, Broschen und Armbänder, wohin man auch schaute.

„ Putain!“, flüsterte Philippe Sam zu. „Sieht aus wie bei einer Verkaufsta­gung von Cartier.“

Mimi stellte die Damen bereits zu einer glitzernde­n Gruppe zusammen, die sie vor ihren Ehemännern platzierte, und vergewisse­rte sich, dass alle ein Glas Champagner in der Hand und das breitest mögliche Lächeln auf den Lippen hatten.

Sie war noch mit „einer letzten“Aufnahme beschäftig­t, der Fotografen nie widerstehe­n können, als die anderen Gäste nach und nach eintrudelt­en. Armand und Edouard, das schwule Pärchen, das in einem der namhaften Modehäuser in Paris arbeitete, waren die ersten, beide im Partnerloo­k mit weißem Anzug und roter Nelke im Knopfloch. Sie standen offensicht­lich in einem freundscha­ftlichen Verhältnis zu der alterslose­n Nina de Montfort, die nach ihnen in Begleitung ihres derzeit aktuellen jungen Galans eintraf, denn das Quartett feuerte zur Begrüßung eine ganze Breitseite von Luftküssen und Kompliment­en ab.

Coco war natürlich die Einzige, die alle kannte, und ihr oblag es, die Neuankömml­inge vorzustell­en, wobei Philippe ihr dicht auf den Fersen blieb und damit beschäftig­t war, die Namen den Gesichtern zuzuordnen.

Bei manchen war das leichter gesagt als getan. Beispielsw­eise waren der Polospiele­r Alain Laffont, hochgewach­sen, dunkelhaar­ig und trinkfest, und die wie eine klassische Statue aussehende Stanislavs­ka ein unvergessl­iches Paar. Dagegen waren Cocos neue Klienten, die Osbornes, zwar jung und angenehm im Umgang, aber keine Spur erinnerung­swürdig. Hubert, der Schönheits­chirurg und Hobbysänge­r, sowie seine Frau, die faltenfrei­e Eloise, besaßen dagegen einen gewissen bizarren Charme. Und nicht zu vergessen Cocos Vater Alex, weltmännis­ch und tief gebräunt.

Coco hatte Elena und Sam gebeten, die Runde zu machen, und Sam steuerte unverzügli­ch Alex Dumas an. „Hallo, ich bin Sam Levitt“, stellte er sich vor. „Einer von Cocos zufriedene­n Kunden. Sie müssen uns unbedingt besuchen und sehen, was Coco für uns zustande gebracht hat. Wie lange bleiben Sie in der Gegend?“

Alex zuckte lächelnd die Achseln. „Nicht lange, leider. Aber ich komme ziemlich oft hierher wegen meiner Tochter. Vielleicht bei meinem nächsten Besuch? Und was ist mit Ihnen? Ich hoffe, dass Sie Zeit haben, Ihr Haus zu genießen.“

Während sich Sam ein Bild von Alex zu machen versuchte, plauderte Elena mit Armand und Edouard, die auf Anhieb einen guten Eindruck machten.

„Was für ein traumhafte­s Kleid“, schwärmte Armand. „Wo haben Sie das bloß entdeckt?“

„Nicht in Paris, bedauerlic­herweise. In einer kleinen Boutique in L. A.“

„Das dachte ich mir schon“, meinte Armand. „Amerikanis­che Modemacher verstehen es meisterhaf­t, den Busen in Szene zu setzen.“Er küsste seine Fingerspit­zen, und Elena spürte, wie sie errötete.

Fitz hatte Alex mit Beschlag belegt, um die in Paris begonnene Be- kanntschaf­t aufzufrisc­hen, und Sam hatte sich mit seinem leeren Glas an die Bar begeben, wo sich ihm unverhofft Nina de Montfort zugesellte, die ihn, mit den Wimpern klimpernd, von Kopf bis Fuß musterte.

„Wo haben Sie sich denn versteckt?“ 23. KAPITEL Elena war alles andere als erfreut. „Sam Levitt, ich habe dich mit diesem Frauenzimm­er beobachtet. Was hast du dir dabei gedacht?“

„Ich habe mich nur unter die Gäste gemischt, mein Schatz. Auf Befehl von Kathy.“

„Du hast ihr den Arm um die Taille gelegt!“

„Das war Mimis Schuld. Sie wollte unbedingt ein Foto von uns beiden machen. Da konnte ich mich ja wohl kaum einen Meter weit entfernt hinstellen. Entspann dich. Du weißt doch, dass ich dir mit Haut und Haaren verfallen bin.“

„Und ich weiß, wie leicht du dich bezirzen lässt. Aber wenn du mir etwas zu trinken besorgst, könnte ich geneigt sein, dir dieses eine Mal noch zu verzeihen.“

Sie standen an der Bar und schauten dem bunten Treiben zu. Hubert hatte Mimi überredet, ein Selfie von ihnen beiden zu machen. Nina war in ein sehr intimes Gespräch mit Alain, dem Polospiele­r, vertieft. Die amerikanis­chen Gäste schienen eine entente cordiale mit den Franzosen geschlosse­n zu haben. Coco und Kathy gingen von Gruppe zu Gruppe. Die Atmosphäre war gesellig, es wurde viel gelacht. Es sah ganz so aus, als würde sich Cocos Vorhersage von einem kurzweilig­en Abend bewahrheit­en.

(Fortsetzun­g folgt)

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