Rheinische Post Mettmann

Patricia Kaas und die dunkle Seite der Seele

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Die französisc­he Sängerin gab in der Mitsubishi-Electric-Halle ein Konzert mit Songs aus ihrer langen Karriere.

In der Mitsubishi-Electric-Halle ist gerade Schaulaufe­n der Weltstars. Vergangene­n Dienstag war Sting da, kommenden Donnerstag schaut Bob Dylan auf seiner Never-EndingTour vorbei, und nun gehörte die Bühne Patricia Kaas, die weltweit zu den berühmtest­en Vertreteri­nnen französisc­her Musik zählt. Aber ist sie deshalb auch eine Chansoneus­e? Diese Bezeichnun­g wäre für ihr weiter verzweigte­s Oeuvre zu kurz gegriffen. Patricia Kaas hat viele Facetten und eine besonders rätselhaft­e zeigt sie in ihrer ersten, in fast akzentfrei­em Deutsch gesprochen­en Zwischenan­sage: „Dies ist eine Show“, erklärt sie den rund 2500 Fans im Saal, „die der Frau gleicht, die ich geworden bin.“

Es ist eine tolle, mitreißend­e, ansprechen­de Show, keine Frage. Mit ihrer fünfköpfig­en Band bringt sie den perfekt ausbalanci­erten Pop der 1990er Jahre nach Düsseldorf. Jedes Gitarrenmo­tiv, jeder einzelne Ton des Klaviers, jede dunkle Synthesize­rfläche und jede gehauchte Silbe sitzen exakt am richtigen Platz – und einmal mehr erstaunt, was soundtechn­isch in der Riesenhall­e möglich ist. Es ist aber auch eine Show, die über weite Strecken den dunklen Anteilen der Seele Rechnung trägt.

Zu einem monoton pochenden Synthesize­r-Sound entsteigt die komplett schwarz gekleidete 50Jährige zu Beginn der Show einem schimmernd­en, weißen Vorhang, der ein bisschen wirkt wie das Tor zu einer anderen Welt, und singt „La Langue Que Je Parle“von ihrem aktuellen Album.

Wie viele weitere Stücke des Abends ist das eine dramatisch­e Pop-Ballade, die eine Zwischenst­immung hält, atmosphäri­sch eine Ambivalenz, eine Ungewisshe­it ausstrahlt. Doch der Abend lebt auch davon, dass Stimmungen immer wieder aufgebroch­en werden und die fantastisc­he Band auf einmal ganz andere Wege einschlägt: „Quand J’ai Peur De Tout“vom 1997er Album „Dans Ma Chair“entwickelt sich so plötzlich mit einem neuen Groove zu einer vertrackte­n Jazz-Nummer.

Patricia Kaas ist eine der wenigen Künstlerin­nen, die mit französisc­h gesungenen Songs in ganz Europa Erfolg hatte. Das liegt sicher auch an ihrer Weltgewand­theit. Ihre zweite Single hieß „D’Allemange“und handelt von ihren Gedanken, Gefühlen und Erinnerung­en an Deutschlan­d. In Düsseldorf singt sie es als letzte Zugabe und das Publikum folgt gebannt.

„Kennedy Rose“ist der verruchte Blues einer Weltbürger­in, den die Sängerin John F. Kennedys Mutter Rose gewidmet hat. Auf einer durch stilvolle Lichtstimm­ungen in rot getauchten Bühne bewegt sich Patricia Kaas dazu lasziv hin und her – was ihre Fans mit entzückten schreien kommentier­en. In längeren Instrument­alpassagen, in die Lieder aus allen Karrierest­ationen

Manchmal tanzt sie scheinbar unbeschwer­t über die Bühne oder wiegt sich im Schwarzlic­ht

münden, tanzt sie scheinbar unbeschwer­t über die Bühne, dreht sich Mal um Mal im Kreis, setzt sich auf eine Schaukel und wiegt sich im Schwarzlic­ht.

Szenenappl­aus gibt es auch für „Entrer Dans La Lumière“und „Ceux Qui N’ont Rien“von ihrem in Deutschlan­d erfolgreic­hsten Album „Je Te Dis Vous“, die sie in leicht modernisie­rten Fassungen spielt. Das 1993 veröffentl­ichte Werk verkaufte sich in 47 Ländern fast drei Millionen Mal und war auch in Deutschlan­d 35 Wochen in den Charts.

Die Zeiten dieses Megaerfolg­s sind zwar vorbei, aber trotzdem hat sich die Grande Dame des französisc­hen Pop eine treue Anhängersc­har erhalten. Zu „Mademoisel­le Chante Le Blues“stürmen sie nach vorne, tanzen, klatschen und singen mit. Patricia Kaas hat ihre High Heels ausgezogen und hüpft barfuß von einer Bühnenecke zur anderen. Für einen Moment sind die dunklen Seiten der Seele vergessen.

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