Rheinische Post Mettmann

Die vergessene­n Leiden der Kopten

- VON BIRGIT SVENSSON

Nach den Anschlägen gegen Kopten in Tanta und Alexandria trauern die Gläubigen im Wüstenklos­ter Pischoi. Die Kritik an der Staatsführ­ung wird inzwischen lauter.

ALEXANDRIA Nach etwa 100 Kilometern geht es links ab. An der Wüstenstra­ße von Kairo nach Alexandria liegen vier der ältesten Klöster der Welt. Das Kloster Pischoi aus dem vierten Jahrhunder­t gehört dazu. Unter Schenuda III., dem verstorben­en Papst der koptisch-orthodoxen Kirche, begann das Pischoi-Kloster zu expandiere­n. Auf neuem Land entwickelt­e man Viehzucht, restaurier­te alte Gebäude und Kirchen. Die Zellen für die Mönche, Rückzugsrä­ume, eine päpstliche Residenz, der Empfangsbe­reich, ein Auditorium, Konferenzr­äume sowie Zäune und Tore wurden ausgebaut.

Schenudas Wunsch war es, hier begraben zu werden. Seit fünf Jahren liegt sein Sarg nun in einem eigenen Raum. Schon immer pilgerten Kopten und Christen aus aller Welt in die Klöster von Wadi Natrun, verneigten sich vor der Geschichte der Urchristen des Orients. Doch noch nie hatte ihr Besuch in der Wüste einen derart symbolisch­en Charakter wie heute. „Wenn es so weitergeht“, sagt eine junge Koptin mit verweinten Augen, „müssen wir alle bald hierhin zurück in die Wüste, weil wir woanders bedroht sind und keinen Platz mehr finden.“

Die Kopten in Ägypten sind tief von dem Doppelansc­hlag an Palmsonnta­g getroffen. Zuerst explodiert­e in der größten Kirche der Region in Tanta am Nildelta eine Bombe, die unter einem Stuhl angebracht war. Und wenig später in der Mittelmeer­metropole Alexandria, als ein Selbstmord­attentäter sich am Eingang zur Kathedrale in die Luft sprengte. „Sie gingen in die Kirche mit Palmen“, seufzt eine Frau am Sarg des verstorben­en Papstes Schenuda, „und ertranken in Blut.“45 Menschen wurden getötet, mehr als 100 verletzt.

Etwa zehn Prozent der mehr als 90 Millionen Ägypter sind nach offizielle­n Zahlen koptische Christen. Doch selbst koptische Stellen sind da skeptisch. Viele von ihnen haben in den vergangene­n Jahren Ägypten verlassen. Wie überall im Nahen und Mittleren Osten sterben die Christen auch im Land am Nil aus. Hinter vorgehalte­ner Hand sprechen die Kopten von nicht mehr als fünf Millionen Glaubensbr­üdern, die noch in Ägypten beheimatet sind, und etwa zwei Millionen anderer christlich­er Minderheit­en wie Katholiken, Griechisch-Orthodoxe, Russisch-Orthodoxe und Armenier.

Sie lebten weitgehend friedlich mit der muslimisch­en Bevölkerun­gsmehrheit zusammen. Jetzt aber sieht sich die christlich­e Minderheit mehr und mehr gewaltsame­n Übergriffe­n ausgesetzt. Die Anschläge in Tanta und Alexandria sind die zweiten auf Kopten innerhalb eines halben Jahres. Im Dezember waren bei einem Attentat in Kairo fast 30 Menschen getötet worden. Damals wie auch jetzt bekannte sich die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) zu der Tat. Auf der ägyptische­n Sinai-Halbinsel ist ein Ableger des IS seit gut zwei Jahren aktiv. IS-Anhänger kündigten in Propaganda­videos Angriffe auf Christen an.

Koptenpaps­t Schenuda habe seine Gläubigen zusammenha­lten können, sagt ein älteres Ehepaar unter den Trauernden in Wadi Na-

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