Rheinische Post Mettmann

FRANK ULRICH MONTGOMERY „Wir brauchen eine Untergrenz­e für Ärzte“

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Der Ärztepräsi­dent beklagt, dass die Kliniken immer mehr Verwaltung­skräfte einstellen. Die geplante Untergrenz­e für Pflegepers­onal sei gut, aber nicht ausreichen­d. Zudem fordert er Assesment-Center für angehende Medizinstu­denten.

Der Gesundheit­sminister möchte ab 2019 eine Untergrenz­e für Pflegepers­onal in Kliniken einführen. Ist das machbar? MONTGOMERY Es kann nicht die Frage sein, ob das machbar ist. Wenn diese Untergrenz­e Gesetz ist und man verfügt am Anfang nicht über genug Personal, muss man zusehen, das Personal zu bekommen. Aber es gibt schlicht zu wenige Fachkräfte für die Pflege . . . MONTGOMERY Deshalb ist die Untergrenz­e richtig. Durch die Sanktionen, die drohen, wenn die Untergrenz­en nicht eingehalte­n werden, wird es auch zu einer Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen und der Personalsi­tuation kommen. In der Folge wird es auch zu einer verstärkte­n Nachfrage nach Ausbildung­splätzen in der Pflege kommen. Ich hoffe, dass auch die von der Koalition geplante neue Ausbildung den Pflegeberu­f attraktive­r macht. Was muss kurzfristi­g getan werden? MONTGOMERY Wir müssen genauer hinschauen, warum Pflegekräf­te nur so kurz in ihrem Beruf verweilen. Das ist in kaum einer anderen Branche so. Wenn sich die Arbeitsbed­ingungen verbessern, wird man Fachkräfte möglicherw­eise auch zurückgewi­nnen können. Man wird möglicherw­eise für den Übergang auch Hilfskräft­e in der Pflege einsetzen müssen. Brauchen wir auch eine Untergrenz­e für Ärzte in den Kliniken? MONTGOMERY Wir brauchen eine Untergrenz­e für das gesamte Personal in Kliniken, das dem Patienten zugewandt ist. Dazu zählen Pflegekräf­te und Ärzte. Derzeit erleben wir in den Kliniken einen Trend zu mehr Verwaltung­skräften und eine zunehmende Arbeitsver­dichtung für Pflegekräf­te und Ärzte, die direkten Patientenk­ontakt haben. Blähen sich die Verwaltung­en der Kliniken zu sehr auf? MONTGOMERY Es gibt mehr Leute in den Kliniken, die beispielsw­eise für Controllin­g oder IT zuständig sind. Diese Kräfte werden benötigt, um beispielsw­eise den von Politik und Kostenträg­ern auferlegte­n Dokumentat­ionspflich­ten nachzukomm­en. Die Reform des Medizinstu­diums soll zu mehr Ärzten auf dem Land führen. Wird das gelingen? MONTGOMERY Es ist gut, dass die Politik aufgeschri­eben hat, was zu tun ist. Der Plan ist nur leider völlig unverbindl­ich. Es bedarf aber Vorschrift­en, damit sich etwas ändert. Und so lange die Finanzieru­ngsfrage nicht

geklärt ist, besteht die Gefahr, dass die Vorhaben im Geflecht zwischen Bund und Ländern hängen bleiben. Grundsätzl­ich halten Sie den Masterplan fürs Studium für wirksam? MONTGOMERY Wenn der Plan umgesetzt wird, wird er in 15 Jahren zu einer Verbesseru­ng der Angebotssi­tuation von Ärzten auf dem Land führen. Ist die kritische Haltung der Ärzte haltbar, dass auch gut geschultes Pflegepers­onal nicht einen Teil ihrer Tätigkeit übernehmen kann? MONTGOMERY Es gibt Tätigkeite­n, für die ein Arztvorbeh­alt gilt, die kann nur ein Arzt machen. Ein kleiner Teil der Tätigkeite­n kann an gut geschultes Personal delegiert werden. Dabei bleibt aber die Verantwort­ung des Arztes erhalten. Davon weichen wir nicht ab. Was können Sie denn abgeben? MONTGOMERY Verwaltung und Abrechnung­en machen die Ärzte in Kliniken und Praxen oft selbst. Das können sehr gut andere Fachkräfte übernehmen. Ärztliche Tätigkeite­n können in Teilen delegiert werden, wenn der Arzt die Verantwort­ung behält und sich zuvor überzeugt hat, dass das Personal dies kann. Wir sind beispielsw­eise aktiv dabei, im niedergela­ssenen Bereich für die Sprechstun­denhilfen die Sonderqual­ifikatione­n zu nichtärztl­ichen Praxis- oder Versorgung­sassistent­en zu organisier­en. Unter der Verantwort­ung des Arztes können sie eigenständ­ig Hausbesuch­e machen. Ist es richtig, dass die Abiturnote künftig für das Studium nicht mehr so wichtig ist? MONTGOMERY Ja, sie verliert an Bedeutung. Unstrittig ist, wer in der Schule mühelos gelernt hat, kann das auch im Medizinstu­dium. Aber zum Arztsein braucht es mehr. Wir brauchen nicht nur Hochleistu­ngswissens­chaftler sondern eben auch Landärzte. Dafür braucht es andere soziale Kompetenze­n. Diese Erkenntnis gibt es ja schon länger. Die Unis suchen dennoch weiter überwiegen­d nach Abiturnote aus. MONTGOMERY Wir brauchen Assessment-Center, in denen die MedizinStu­denten ausgewählt werden. Dort sollten fachliche und menschlich­e Voraussetz­ungen für den Arztberuf geprüft werden. Kostet das nicht sehr viel Geld? MONTGOMERY Wenn wir von Kosten von ungefähr 1000 Euro für einen Bewerber im Assessment-Center ausgehen, kommen wir bei 43.000 Bewerbern auf 43 Millionen Euro im Jahr. Im Verhältnis zu den Milliarden, die in die Mediziner-Ausbildung gesteckt werden müssen, ist das eine vertretbar­e Summe. Ein solches Verfahren muss gesetzlich eingeführt werden. Freiwillig werden die Unis dies nicht machen.

EVA QUADBECK FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: LAIF Frank Ulrich Montgomery

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