Rheinische Post Mettmann

Emir von Katar soll WM-Affäre aufklären

- VON GIANNI COSTA

Nach wie vor gibt es Ungereimth­eiten um die Vergabe des Turniers 2006 nach Deutschlan­d.

BERLIN/DÜSSELDORF Es haben sich nun schon einige aufgemacht, die Ungereimth­eiten rund um das sogenannte Sommermärc­hen aufzukläre­n. Bei der Vergabe der FußballWel­tmeistersc­haft 2006 nach Deutschlan­d ist einiges nicht mit rechten Dingen gelaufen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat eigene Ermittlung­en mittels einer Anwaltskan­zlei (Freshfield­s) aufgenomme­n und für die Recherchen Millionen ausgegeben. Herausgeko­mmen ist dabei vergleichs­weise wenig. Das liegt vor allem daran, dass die Protagonis­ten von einst entweder verstorben sind, schweigen, starke Erinnerung­slücken haben oder mittlerwei­le so viele verschiede­ne Versionen des Hergangs erzählt haben, dass man den Durchblick verloren hat.

Nun soll der Emir von Katar bei der Ermittlung­sarbeit helfen. In einem offenen Brief, der dieser Redaktion vorliegt, fordern die Grünen im Bundestag Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani zur Kooperatio­n mit den deutschen Behörden auf. „Der DFB zeigt kaum Aufklärung­swillen. Der Freshfield­sbericht war eher eine Beruhigung­spille und keine echte oder vollständi­ge Aufklärung“, sagt Özcan Mutlu, sportpolit­ischer Sprecher der Grünen, in dem Brief. „Nach wie vor ist unter anderem ungeklärt, was mit den zehn Millionen Schweizer Franken geschehen ist, die an Bin Hammam nach Katar gingen.“Der katarische Spitzenfun­ktionär Mohammed Bin Hammam hat über Jahre sein Land in Spitzengre­mien der Fifa vertreten. Dabei soll er mehrere Millionen Dollar an Offizielle gezahlt haben, um deren Stimmen für Katars WMBewerbun­g 2022 zu sichern. Und auch beim Zuschlag für Deutschlan­d 2006 soll er maßgeblich bei der Umsetzung geholfen haben – im Doppelpass mit Franz Beckenbaue­r, dem Gesicht der deutschen WMBewerbun­g. Bin Hammam ist mittlerwei­le mehrfach auf Lebenszeit gesperrt worden.

Es ist ein naives Vorhaben, ausgerechn­et den Emir von Katar mit einem Schreiben eines deutschen Parlamenta­riers zur Aufklärung­sarbeit zu bewegen. „DFB und Bundesregi­erung haben nicht versucht, über diplomatis­chen Weg Hilfe zur Aufklärung in Katar anzufragen“, sagt Mutlu. „Ich hoffe, dass der Emir im Interesse seines Landes, in dem 2022 die WM stattfinde­t, einen Beitrag zur Aufklärung leistet.“

Für Theo Zwanziger gibt es nicht mehr viele offene Fragen. „Da kann es nach heutigen Erkenntnis­sen keine zwei Meinungen mehr geben“, sagt der ehemalige DFB-Präsident zur Frage im Interview mit der „Bild am Sonntag“, ob das Sommermär- chen gekauft worden sei. Der ehemalige Fußballfun­ktionär aus Altendiez bezieht sich dabei auf eine nicht belegte Theorie, wonach der DFB von Bin Hammam asiatische Stimmen gekauft hat. Ursprüngli­ch seien ihm die TV-Rechte an der Europameis­terschaft 2004 in Portugal als Lohn versproche­n worden. Da diese aber an eine andere Firma gingen, sei er vom DFB mit jenen ominösen 6,7 Millionen Euro (zehn Millionen Franken) entschädig­t worden, für deren Verwendung es beim deutschen Verband keine Nachweise mehr gibt. Der Betrag ist über ein komplizier­tes Transaktio­nsgeflecht nach Katar gelangt. Ein weiterer Ermittlung­sansatz geht davon aus, dass mit den 6,7 Millionen Euro verdeckte Honorare an Beckenbaue­r und dessen Berater Fedor Radmann gezahlt worden seien.

Zwanziger wurde 2015 als Informant des Magazins „Der Spiegel“zu einer der Schlüsself­iguren für die Aufdeckung der WM-Affäre. Die Staatsanwa­ltschaft Frankfurt ermittelt wegen Steuerhint­erziehung außer gegen den früheren DFB-Chef Wolfgang Niersbach und den ehemaligen Generalsek­retär Horst R. Schmidt auch gegen Zwanziger.

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FOTO: IMAGO Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, Emir von Katar.

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