Rheinische Post Mettmann

Thriller über eine Freundscha­ft am Abgrund

- VON DOROTHEE KRINGS

RP-Redakteur Jörg Isringhaus spiegelt in seinem Roman „Die Herzlosen“bekannte Verbrechen­sfälle.

DÜSSELDORF Raphael und Lukas sind Freunde. Zwei Männer, die viel voneinande­r wissen und wenig darüber reden. Kumpel also, von Kindheit an. Dabei hat sie das Leben auseinande­r getrieben. Wohl auch, weil sie so unterschie­dliche Typen sind. Raphael ist irgendwann ins Milieu geraten, arbeitet für einen brutalen Kerl, mit dem er eigentlich nichts mehr zu schaffen haben will, aber der Absprung gestaltet sich schwierig. Lukas dagegen ist Polizist, ein sympathisc­her Kripomann, kein Bürokrat, kein Macho. Jedenfalls treffen sich die beiden Männer einmal im Monat, reden über das Leben, Frauen und ihre große Leidenscha­ft: Westernfil­me. Über das, was sie machen, um Geld zu verdienen, reden sie nicht. Dabei werden sich ihre Welten berühren. Abgründe werden sich auftun – im wahrsten Sinne des Wortes.

In „Die Herzlosen“erzählt Jörg Isringhaus von einer Männerfreu­ndschaft, die auf die Probe gestellt wird, durch ein Verbrechen, dessen grausames Ausmaß sich eigentlich der Vorstellun­g entzieht. Gekonnt schneidet Isringhaus mit diesen Hauptfigur­en Szenen aus der Halbwelt und Kripoallta­g gegeneinan­der. In beiden Milieus kennt sich der langjährig­e Reporter der Rheinische­n Post aus. So wirken seine Figuren lebensecht, seine Szenen nie ausgedacht und er weiß, seine Geschichte präzise, reduziert und mit hohem Tempo zu erzählen. Erschienen ist das Buch in der Edition EP, die der frühere Verleger und heutige Literatura­gent Ernst Piper bei Amazon aufbaut. Dort wird demnächst auch ein älteres Buch von Isringhaus erscheinen, der leicht groteske Krimi „Rache auf Russisch“.

Was sich in den „Herzlosen“vor dem Leser auftut, ist nichts für zarte Gemüter. Raphaels Chef ist nicht nur im Drogengesc­häft aktiv und betreibt Bordelle, er ist auch in Menschensc­hmuggel verwickelt und nutzt auf perfide Weise eine Schwäche von Frauen auf der Flucht: dass sie niemand vermisst.

Lukas als Kriminalbe­amter und Raphael als ahnungslos­er Handlanger werden immer tiefer in verbrecher­ischen Strukturen hineingezo­gen, die auch der Leser nur langsam durchschau­t. Dunkle Gänge öffnen sich, Perversion­en treten zu Tage. Das ist spannend. Und erschüt- ternd, als sich abzeichnet, was eigentlich hinter den Machenscha­ften steckt, hier aber nicht verraten werden soll.

Isringhaus hat grausame Verbrechen­sfälle aus der jüngeren Vergangenh­eit in seinen Roman gespiegelt. Er hat weitergeda­cht, was denkbar ist, seit man Verbrecher wie Marc Dutroux, Josef Fritzl oder Wolfgang Priklopil auf die Spur kam. Bald wünscht man sich beim Lesen in die Anfangssze­nen des Romans zurück, als Raphael und Lukas noch arglos im Café sitzen und über Frauen sprechen und über ihre liebsten Western. Auch auf dem staubigen Platz zwischen Saloon und Kirche wurde schon manche Grausamkei­ten ausgetrage­n. Mann gegen Mann. Aber nichts gegen das, was Lukas und Raphael in „Die Herzlosen“bald erleben werden.

Jörg Isringhaus:

 ?? FOTO: DPA ?? Kasimir Malewitsch: „Suprematis­mus (Rotes Kreuz auf schwarzem Kreis)“, entstanden zwischen 1921 und ’27.
FOTO: DPA Kasimir Malewitsch: „Suprematis­mus (Rotes Kreuz auf schwarzem Kreis)“, entstanden zwischen 1921 und ’27.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany