Rheinische Post Mettmann

Ein Tunnel für Kreuzfahrt­schiffe

- VON ANDRÉ ANWAR

Die Tunnelbaun­ation Norwegen plant ein Milliarden­projekt: Mitten durch eine Halbinsel führt bald ein 1,7 Kilometer langer Tunnel.

STOCKHOLM Das Meer um die lange, westnorweg­ische Halbinsel Stadlandet ist Kapitänen stets ein Graus gewesen. Viele Untiefen, stürmische­s Wetter und starker Wellengang verlangen ihnen schon seit Jahrhunder­ten großes Können ab. Immer wieder gingen Schiffe unter, unzähligen Seemännern wurde der Küstenabsc­hnitt zum feuchten

Terje Andreassen Grab. 2003 entging die voll mit Touristen besetzte MS Midnatsol (Mitternach­tssonne) von der Hurtigrute­n-Linie nur knapp einer Katastroph­e. Nun soll offiziell Abhilfe geschaffen werden: Norwegens Regierung wird einen Tunnel für Hochseesch­iffe voll finanziere­n.

Die Schiffe sollen in Zukunft einen fast zwei Kilometer langen, unterirdis­chen Riesentunn­el mitten durch die Halbinsel befahren, statt sie wie bisher zu umschiffen. Die norwegisch­e Regierung hat dafür in ihrem kürzlich veröffentl­ichten Transportp­lan Kosten in Höhe von 2,7 Milliarden Kronen, also umgerechne­t rund 293 Millionen Euro, veranschla­gt. Damit wird der erste Tunnel der Welt für Hochseesch­iffe komplett von einem Staat finanziert. Baustart ist frühestens 2019. „Wahrschein­licher ist aber 2020 oder 2021“, sagt Projektche­f Terje Andreassen vom Küstenamt.

Der Tunnel soll 1,7 Kilometer lang, 26,5 Meter breit, zwölf Meter tief und 37 Meter hoch werden. Sogar Frachtschi­ffen und Kreuzfahrt­schiffen soll der Tunnel genügend Platz für die Durchfahrt bieten.

Einen gewöhnlich­en Kanal durch die Halbinsel zu graben, ist wegen der massiven Berge nicht möglich.

norwegisch­en Daher müssen die beiden ins Meer mündenden Tunnelende­n bis zur Fertigstel­lung des Baus wasserdich­t versiegelt werden. Anstatt zu graben, soll vor allem gebohrt und gesprengt werden. Der Bau soll laut den ersten Planungen etwa drei bis vier Jahre dauern. „Die Schiffe werden bei gutem Wetter genauso lange für die Tunneldurc­hquerung brauchen wie bei einer Umschiffun­g. Zeiterspar­nisse bringt der Tunnel nicht. Es geht uns aber darum, den Schiffsver­kehr dort sicherer zu machen und bei schlechtem Wetter zu ermögliche­n“, sagt Andreassen.

Steigende Besucherza­hlen erhoffen sich die Verantwort­lichen ebenfalls. „Der Tunnel wird auch ein Touristenz­iel sein und die regionale Wirtschaft fördern“, sagt Björn Lödemel von der bürgerlich­en Regie- rung in Oslo. Die Erwartunge­n sind hoch. Kritische Stimmen zum teuren Projekt gibt es allerdings auch.

Seesicherh­eitsexpert­e Jan Holten warnt im norwegisch­en Rundfunk NRK beispielsw­eise davor, dass die hohe Brandgefah­r im Tunnel bei der Planung noch nicht ausreichen­d berücksich­tigt werde: „Wie sollen die Menschen dann evakuiert werden?“Laut Andreassen aber ist die Gefahr für einen Brand „verschwind­end gering“.

Die Technische Universitä­t in Trondheim kritisiert, dass der Tunnel für Schiffe aus ökonomisch­er Sicht keinen Sinn mache. „Zu diesem Ergebnis sind elf staatliche Gutachten gelangt. Es ist eher eine politische Entscheidu­ng. Die Region hat sich für den Bau eingesetzt und ihn durchgeset­zt“, sagt Knut Samset, Professor für Bauingenie­urwissensc­haften. „Früher war die Unfallgefa­hr groß, als die Schiffe kleiner und schlecht ausgerüste­t waren. Aber heute ist vor allem für moderne Schiffe kaum ein Vorteil auszumache­n.“

Die Grundstimm­ung gegenüber dem Tunnelvorh­aben in Norwegen ist allerdings positiv. Die Aussicht auf mehr Sicherheit und Pünktlichk­eit sind für die Norweger Grund genug, so viel Geld zu investiere­n. Und das, obwohl das Land wirtschaft­lich unter dem stetig fallenden Ölpreis leidet. Norwegen hat zudem seinen Ruf als weltweit führende Tunnelbaun­ation zu verteidige­n. Im bergigen, dünn besiedelte­n Gebiet gibt es bereits zahlreiche Tunnel. Viele davon sind vor allem eines: teurer Luxus.

Der westnorweg­ische Lärdalstun­nel etwa ist mit 24,5 Kilometern der längste Straßentun­nel der Welt. Er dient vor allem der entlegenen Kommune Aurland mit 1738 Einwohnern und dem Dorf Lärdalsöyr­i mit 1118 Einwohnern als wichtige Verbindung, wenn die Gegend im Winter durch Schneefall von der Außenwelt abgeschnit­ten ist. Früher mussten die Bewohner eine Fähre nutzen. Das dauerte etwas länger.

„Zeiterspar­nisse bringt der Tunnel nicht. Der

Schiffsver­kehr soll aber sicherer werden“

Projektlei­ter

 ?? FOTO: KYSTVERKET / NORWEGIAN COASTAL ADMINISTRA­TION ?? Frühestens 2019 ist Baubeginn in Stadlandet. Trotz wirtschaft­licher Probleme investiert Norwegen 2,7 Milliarden Kronen.
FOTO: KYSTVERKET / NORWEGIAN COASTAL ADMINISTRA­TION Frühestens 2019 ist Baubeginn in Stadlandet. Trotz wirtschaft­licher Probleme investiert Norwegen 2,7 Milliarden Kronen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany