Rheinische Post Mettmann

Stylisch im Beet

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Ob Werkzeuggü­rtel, Latzhose oder Wickelrock: Praktische Accessoire­s erleichter­n nicht nur die Gartenarbe­it, sie sehen auch gut aus. Bei den Werkzeugen sind etwa ergonomisc­h geformte Produkte für die Generation 60 plus hoch im Kurs.

Ein großer Baum kann es natürlich allein auf dem Balkon aushalten, er steht da mit seinen üppigen zwei Metern Höhe, er überstrahl­t alles, treibt in diesen Tagen herrlich Blüten und Blätter – und da es sich um einen chinesisch­en Hartriegel handelt, bieten die Blüten eine unerhörte Farbpracht.

Früher musste mir florale Schönheit souffliert werden, da hatte ich nur grüne Augen, aber keinen ebensolche­n Daumen. Das ist jetzt anders. Dank kundiger Anleitung habe ich den Balkon als Betätigung­sfeld entdeckt. Nun haben wir dem Hartriegel ein Geschwiste­rchen gekauft. Es ist viel kleiner, aber keck in seinem Entwicklun­gswillen. Es scheint, als habe der Kleine seit dem Kauf zehn Zentimeter zugelegt, in die Höhe wie in die Breite. Auch er wird ein Kawenzmann, und die beiden Riegel werden einander zurufen, dass sie Helden sind, die Helden vom Windberg (so heißt nämlich der Stadtteil, in dem ich wohne). DÜSSELDORF Klar kann man beim Unkrautjät­en oder Rosenschne­iden die olle Jeans und das ausgeleier­te T-Shirt anziehen. Aber immer mehr Hobby-Gärtnerinn­en begnügen sich zwischen Stauden und Sträuchern nicht länger mit improvisie­rter Gartenmont­ur. Sie wollen sich im Beet vernünftig bewegen können und gleichzeit­ig eine gute Figur machen. Weil die handelsübl­iche, in aller Regel für Männer gemachte Profikleid­ung aber ästhetisch fragwürdig und vor allem unbequem ist, hat Petra Maison ihr Unternehme­n „Garden Girl“gegründet. Vom Werkzeuggü­rtel über den Wickelrock bis zur taillierte­n Weste, von

Die Sehnsucht der Menschen nach Grün wächst, wie auch die Lust darauf, mit Händen

im Matsch zu wühlen

der Erntescher­e für Frauenhänd­e bis zur Gartenhose mit elastische­m Bund und Kniepolste­r produziert die Schwedin alles für die Gärtnerin mit Stil. Das Geschäft mit den vornehmlic­h rosafarben­en Produkten floriert online, und Gartencent­er in mehr als 20 Ländern haben ihre Entwürfe im Sortiment.

Weil es aber auch Frauen mit grünem Daumen gibt, die nicht viel von geblümten Schürzen im britischen Landhausst­il halten, hat die Düsseldorf­erin Petra Wenzel für DesignPuri­sten unter dem Markenname­n „The Golden Rabbit“Pullover, Latzhosen, Overalls und Schürzen entworfen, mit denen man sogar zum Bäcker gehen kann. Wichtig – so Wenzel – seien klassische Farben, coole, modische Schnitte und zweckmäßig­es Material, das wie der von ihr verwendete dunkelblau­e Twill-Stoff (er stammt aus einer der letzten deutschen Baumwollwe­bereien in Krefeld) vor Brennnesse­ln schützt und Dornenstic­he oder Piekser von Stacheln verhindert. Eine zentrale Rolle spielen bei der richtigen Arbeitskle­idung die Taschen, weil es gut ist, wenn außer Mobiltelef­on und Haustürsch­lüssel noch die Gartensche­re, ein Schäufelch­en, Harken und die Gartenhand­schuhe bei der Hand sind.

Während die große Gärtnernat­ion England einen Rückgang ihrer Gartenkult­ur erlebt, blüht der Markt in Deutschlan­d. Immer mehr Hobby-Gärtner geben immer mehr Geld für Pflanzen und Gartenacce­ssoires aus wie handgeschm­iedete Rasenlüfte­r, Löwenzahns­techer oder Bewässerun­gsanlagen, die sich per Smartphone vom Büro aus an- und abschalten lassen. Allein im vergangene­n Jahr haben die Deutschen

An die Seite des kleinen Hartriegel haben wir – damit die Proportion­en auf dem Balkon stimmen – noch einen neuen und vor allem sehr großen Bambus gestellt, der ebenfalls sprießt und schießt, dass die Heide lacht. Er ist natürlich eher ein Busch als ein Baum, aber sein Grün ist imperial, und so ein Bambus hat etwas Wildes, Ungebärdig­es, wogegen ein Hartriegel exemplaris­ch für Zucht und Ordnung steht. Beide, so wurde uns gesagt, müssen irgendwann umgetopft werden. Früher erfüllte mich dieses Wort mit Schrecken. Jetzt freue ich mich darauf, mit allen grünen Daumen ins volle Wurzellebe­n zu greifen. Erde, ich komme! nach Angaben des Bundesverb­andes für Garten-, Landschaft­s- und Sportplatz­bau (BGL) mehr als vier Milliarden Euro in ihre grünen Oasen investiert. „Der Anteil des Privatgart­enbereichs beläuft sich auf rund 60 Prozent des Gesamtumsa­tzes der Branche“, sagt der Präsident des BGL, August Forster, „und das mit steigender Tendenz.“

Denn die Sehnsucht der Menschen nach Grün wächst, genauso wie auch die Lust darauf, wieder mit beiden Händen im Matsch wühlen zu können. Das bedeutet auch, dass viele sich nicht mehr mit Nullachtfü­nfzehn-Werkzeugen begnügen. Die Nachfrage nach wertvollen, handwerkli­ch gut gemachten Produkten beschert Firmen wie Manufaktum oder Torquato große Nachfrage. Das Sortiment ist vielfältig: Es reicht von der handgeschm­iedeten japanische­n Gartensche­re und einer Rosengabel aus Edelstahl der Marke Sneeboerd, der Outdoor-Axt aus der schwedisch­en Kultschmie­de Wetterling­s bis hin zur Baumsäge mit einem Griff aus Birkenschi­chtholz und einer Sense aus Stahlrohrb­aum für Menschen, die gemähte Wiesen dem geschorene­n Rasen vorziehen. Einer wie Claus Krumpholz, Inhaber des gleichnami­gen, 218 Jahre alten Familienun­ternehmens, fertigt im Frankenwal­d Geräte an, die Piranha-Hacke, Großmutter Sprok oder Damenspate­n Elke heißen. Anders als Billigprod­ukte aus Fernost werden sie traditione­ll in Handarbeit geschmiede­t und sollen das Zeug zum Erbstück haben.

Vorbei das spießige Image von Schrebergä­rten: Gärtnern bedeutet heute soziales Prestige. Wer was auf sich hält, imponiert mit seinem Garten. Während Roboter-Rasenmäher und Grill-Themenwelt­en zunehmend Männer in die Geschäfte und ins Grüne locken, hält sich das Klischee von den Frauen, die lieber Rosen und Rabatte pflegen.

Es ist vor allem die weibliche Generation 30 plus, die grünen Lifestyle abseits der Massenware aus Gartencent­ern und Baumärkten sucht. Wer sich einmal trotz normaler Gartenhand­schuhe an RosenDorne­n verletzt hat, der schwört beispielsw­eise auf spezielle Exemplare der amerikanis­chen Firma Bionic. Mit ihren Stulpen schützen sie auch die Unterarme, und weil sie wie elegante Motorradha­ndschuhe aussehen, gefallen sie auch männlichen Hobby-Gärtnern. Unisex im Einsatz sind auch der „Wadenbeiße­r“, ein Franzbrann­twein aus der Brennerei Stählemühl­e, der nach der körperlich­en Anstrengun­g die Muskeln entspannt, genauso wie das Propolis-Balsam gegen Stiche und Schürfwund­en aller Art.

Für die kaufkräfti­ge Generation 60 plus entwerfen die Unternehme­n übrigens auch ergonomisc­h geformte Werkzeuge und praktische Arbeitshil­fen wie rollbare Gartenhock­er.

Endlich grünt mein Daumen!

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