Rheinische Post Mettmann

Doktor Mann und die Tuberkulos­e

- VON TOBIAS LENTZLER

Die Thomas-Mann-Gesellscha­ft lud zum Vortrag über den „Zauberberg“.

Bis zuletzt hatte Thomas Mann auf einen Ehrendokto­rhut der Medizin gehofft. In einem offenen Brief, der 1925 in der Deutschen Medizinisc­hen Wochenschr­ift erschien, schrieb er, eine solche Anerkennun­g sei „keine Frage der Würdigkeit, sondern nur eine solche vitaler Ausdauer“. Zwar häufte Thomas Mann in seinem Leben eine Menge Ehrentitel an, ein medizinisc­her Doktortite­l blieb ihm jedoch verwehrt.

Mit diesem Bonmot eröffnete Privatdoze­ntin Katrin Max ihren Vortrag „Literarisc­he Heilkunst. Ansichten und Einsichten der Krankheit in Thomas Manns ,Der Zauberberg’“. Die Thomas-Mann-Gesellscha­ft hatte zu dem Abend ins Haus der Universitä­t geladen. Mehr als 70 Gäste kamen.

Bereits kurz nach der Veröffentl­ichung des „Zauberberg­s“im Jahr 1924 lobten Ärzte Manns detaillier­te Beschreibu­ng der Tuberkulos­e. Max’ Vortrag versuchte, neue Einsichten an der Schnittste­lle von Medizinges­chichte und Literatur zu gewinnen. Zunächst erläuterte sie kenntnisre­ich, was genau Tuberkulos­e sei und wie man diese im Laufe der Jahrhunder­te behandelte. Die bakteriell­e Infektions­krankheit, die bei Menschen vor allem die Lunge befällt, wurde bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts häufig mit der vollständi­gen Ruhigstell­ung des Körpers behandelt. Patienten sollten sich möglichst nicht mehr regen. Man hoffte so, die Krankheit eindämmen zu können. Im 19. Jahr- hundert fand unter dem Eindruck der Romantik eine Metaphoris­ierung der Krankheit statt. Sie galt vielen Dichtern als glückliche­r Tod. Einige Werke dieser Zeit wie Puccinis „La Bohème“, stellten die Krankheit in den Mittelpunk­t. Im Wissen um die Geschichte der Tuberkulos­e habe Mann in seinem Roman die unterschie­dlichen Ansichten über die Krankheit nebeneinan­dergestell­t, ohne sie zu bewerten, betonte Max. Okkultismu­s steht dort gleichrang­ig neben moderner Medizin. Aus diesen Feststellu­ngen leitete Max ihre Einsichten ab. Besonders fruchtbar war die Feststellu­ng, dass sich die Krankheit auf die Form des Romans überträgt. Ist der erste Teil noch wohlgeordn­et, obsiegt im zweiten Teil das Krankhafte: Am Ende bricht der Erste Weltkrieg aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany