Pärchen wird Hartz-IV verweigert
Die 19-jährige Anna-Lena Reinhard musste sechs Wochen auf die Zahlungen des Jobcenters warten. Die Behörde hatte diese eingestellt, weil sie eine eheähnlichen Gemeinschaft der jungen Frau mit ihrem Freund annahmen.
Anna-Lena Reinhard fühlt sich im Stich gelassen. Mehrere Male hat die 19-Jährige nach eigenen Aussagen das Jobcenter Düsseldorf Nord kontaktiert und keine Antwort erhalten. Ihr Konto ist überzogen. Die junge Frau arbeitet nicht und ist daher auf die finanzielle Unterstützung des Jobcenters angewiesen. 409 Euro erhält sie monatlich vom Amt, doch die Zahlung für März 2017 blieb aus. Nach sechs Wochen Wartezeit nannte ihr das Jobcenter den Grund für fehlende Zahlungen: Sie wurden eingestellt, weil Anna-Lena Reinhard und ihr Freund Maximilian Nelles nach Auffassung des Amts in einer „Bedarfsgemeinschaft“lebten.
Verschiedene Kriterien können eine Bedarfsgemeinschaft definieren. Dazu zählt, dass zwei Menschen füreinander einstehen, gemeinsam wirtschaften und Zugriff auf das Konto des Partners haben. Alles in allem kann diese Form des Zusammenlebens als eheähnlich angesehen werden. Nelles und Reinhard streiten das ab. Die beiden wohnen zwar zusammen, doch Reinhards Einzug war im März 2016 nur als vorübergehend gedacht.
Die damals 18-Jährige wurde nach einer psychologischen Behandlung aus einer Klinik entlassen und machte sich auf die Suche nach einer eigenen Bleibe. Eine Wohnung würde das Jobcenter ihr auch bezahlen, doch die Vorgaben dafür sind streng. Eine Wohnung von 50 Quadratmetern darf maximal 407 Euro Miete im Monat warm kosten – wenn sie kleiner ist, muss der Preis dementsprechend sinken. Damit kam die junge Frau nicht zurecht: „Ich habe keine einzige Wohnung gefunden, die diesen Anforderungen entspricht“, sagt sie.
Aus der Not heraus zog sie also zu ihrem Freund, der im Studentenwohnheim der Fliedner-Fachhochschule in Kaiserswerth wohnt. Seine Wohnung dort ist gerade einmal 13 Quadratmeter groß. Knapp ein Jahr lang wohnt sie nun dort. Ende Februar bemerkte die 19Jährige, dass die Zahlungen des Jobcenters ausblieben. Das verstand sie nicht, denn sie hatte beantragt, auch weiterhin unterstützt zu werden. Schließlich besuchten zwei Mitarbeiter des Job-Centers das junge Paar zu Hause, um sich selbst ein Bild zu machen. Und: Obwohl Reinhard und Nelles es anders sehen, ist für die Beamten klar: Hier handelt es sich um eine Bedarfsgemeinschaft.
„Letztendlich reicht schon ein erfülltes Kriterium, um eine Be- darfsgemeinschaft festzulegen“, sagt Rechtsanwalt Marco Rath. Dabei fällt am meisten ins Gewicht, ob beide füreinander einstehen, so der Anwalt. Auch die Dauer des Zusammenlebens sei bedeutend. „Wenn man wirklich nur übergangsweise drei Monate zusammen wohnt, ist das eine Sache. Bei einer Dauer von einem Jahr etwas ganz anderes“, sagt der Fachanwalt.
Anna-Lena Reinhard hat in diesem konkreten Fall noch Glück gehabt. Kurz nach dem Besuch der Jobcenter-Mitarbeiter erhielt sie eine Überweisung mit der fehlenden Summe für März und April. Ihr Antrag war letztendlich doch akzeptiert worden – parallel zu den Untersuchungen der Kollegen. Deren Erkenntnisse waren danach nicht mehr relevant. Als Grund für die verspätete Zahlung nennt das Jobcenter fehlendes Engagement von Reinhard: Sie habe zwar den Antrag pünktlich gestellt, sei aber nicht zu weiteren Terminen im Amt gekommen. Dadurch habe der Antrag erst Ende März bearbeitet werden können.
Da die Düsseldorferin nun einen Job auf 450-Euro-Basis angenommen hat, wird sich zukünftig die ganze Vereinbarung ändern. Denn nun wird neu berechnet werden müssen, wie viel Unterstützung ihr noch zusteht.