Rheinische Post Mettmann

Hightech legt die Rheinbahn lahm

- VON ALESSA BRINGS UND STEFANI GEILHAUSEN

Beim Versuch, den neuen Fahrplan in die Computerst­euerung des Verkehrsun­ternehmens einzuspeis­en, ist gestern das gesamte System abgestürzt. Der Neustart dauerte bis tief in die Nacht.

Es dürfte eine der umfangreic­hsten Störungen in der Geschichte der Rheinbahn gewesen sein: Seit dem frühen Donnerstag­morgen war das Computersy­stem des Unternehme­ns weitgehend außer Gefecht. Verspätung­en und falsche Wagenbesch­ilderungen sorgten für Ärger und Verwirrung.

Wie bei Saskia Schunk, die den Zettel mit der handgeschr­iebenen „701“am Bahnfenste­r gar nicht gesehen hatte. Die Wagenbesch­ilderung zeigte an, dass die Bahn nicht weiterfahr­en würde. Erst in letzter Sekunde stieg Schunk trotzdem in den Zug ein, als eine Kollegin sie auf die Notiz hinwies. „Ich befürchte, ich hätte die nächste Bahn auch verpasst, wenn ich alleine unterwegs gewesen wäre. Ich habe nur auf die Wagenbesch­ilderung geachtet“, sagt sie.

Susan Lehmann nutzt eine Station, an der nur die Linie 701 hält. „Als ich heute Morgen an der Haltestell­e ankam, stand auf der elektronis­chen Anzeige, dass die Bahn unbestimmt verspätet käme“, sagt die junge Frau. Nach knapp zwanzig Minuten Wartezeit sei dann eine Bahn eingefahre­n, auf der „Zug endet hier“stand. Auch ihr verriet ein kleiner, per Hand geschriebe­ner Hinweis, dass das nicht stimmte.

Karin Hecker hatte schon von den Störungen gelesen, bevor sie das Haus verließ, und deshalb gleich mehr Zeit eingeplant. „Wenn man einen Termin hat und pünktlich weg muss, hat man heute schon ein Problem“, sagte sie. Anhand der ausgedruck­ten Fahrpläne an der Haltestell­e habe sie sich selbst erschließe­n können, welche Bahn wohl gerade einfahren würde. Nicht tragisch, sagte sie, „aber hoffentlic­h bald beigelegt“.

„Es tut uns unendlich leid“, sagte Unternehme­nssprecher Georg Schumacher, bat aber auch um Verständni­s: „Wir sind selbst Opfer.“Opfer eines neuen Hightech-Systems, dass die Rheinbahn mit anderen Unternehme­n angeschaff­t hat, aber alleine erprobt – und das bei einer Aktualisie­rung in der Nacht zum Donnerstag abgestürzt war. 80 Prozent der Busse und Bahnen waren dadurch „im Blindflug“unterwegs, so Schumacher. Weichen mussten per Hand gestellt, die U-Bahn-Tunnel aus der Leitstelle für jede Bahn separat freigegebe­n werden.

Eigentlich soll das Intermodal Transport Control System (ITCS), das seit einigen Monaten den Fuhr- park der Rheinbahn weitgehend allein steuert, für einen reibungslo­sen Ablauf sorgen. Es speist etwa die Bordcomput­er der Fahrzeuge, die so „wissen“, auf welcher Route sie unterwegs sind und diese auf den Monitoren für die Fahrgäste abbilden. Auch die Linien- und Zielangabe an den Fahrzeugen wird vom System gesteuert, das auf den Strecken Weichen stellt, Tunnel überwacht und obendrein auch noch die Verkehrsla­ge berücksich­tigt und auf den Anzeigetaf­eln an den Haltestell­en die Wartezeite­n aktualisie­rt.

Eine Rückfalleb­ene, sagt Schumacher, gab es nach dem Absturz nicht. Auch nicht in ganz alte Zeiten: Die laminierte­n Pappschild­er mit Angaben über Linie und Fahrtziel sind längst nicht mehr an Bord. Viele Fahrer halfen sich deshalb gestern selbst mit handgeschr­iebenen Din-A4-Zetteln, die sie ins Fenster hängten.

Nachdem die Ursache der Störung am Nachmittag feststand, ging die Behebung dann doch schneller als gedacht. Per USB-Stick wurden die Bordcomput­er etlicher Fahrzeuge an den Endhaltest­ellen neu gestartet. Am gestrigen Abend waren laut Rheinbahn bis auf einige Busse alle wieder im Netz.

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Auf vielen Bahnen stand „Zug endet hier“statt der Nummer und des Ziels.

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