Letzte Ausfahrt Klassenerhalt
Hochgelobt, aber ohne großen Ertrag – das deutsche Fed-Cup-Team kämpft weiter nur um Minimalziele.
STUTTGART Barbara Rittner lächelt. Angelique Kerber ebenfalls. Und auch Julia Görges, Laura Siegemund sowie Carina Witthöft werden in diesen Tagen von Stuttgart nur mit bester Laune vor den Kameras gesichtet. Es ist die wichtigste taktische Ausrichtung im deutschen Fed-Cup-Team: gute Stimmung. Die Geschichte des Wettbewerbs hat schon oft gezeigt, dass nicht das Team mit den besten Einzelspielerinnen am weitesten gekommen ist, sondern das mit dem besten Mannschaftsgeist.
Die deutsche Auswahl wurde in den vergangenen Jahren hochgelobt. Exzellente Akteurinnen, hohe individuelle Klasse. Eine sogenannte „Goldene Generation“. Der Ertrag als Kollektiv ist indes ernüchternd, gemessen an den eigenen Ansprüchen: Ein Titelgewinn gelang unter der Ägide von Teamchefin Rittner bislang nicht. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Denn an diesem Wochenende geht es mal wieder nur um das Erreichen des Minimalziels: Klassenerhalt.
Gegen die Ukraine wartet auf die deutsche Auswahl in Stuttgart eine unangenehme Aufgabe. Ein Kontrahent ohne Glamourfaktor, aber mit viel Potenzial. Die Noch-Weltranglisten-Erste Kerber und Görges sollen die Mannschaft zum Klassenerhalt führen. Ohne Kerber hatten die Kolleginnen Mitte Februar die Erstrunden-Partie gegen die USA auf Hawaii 0:4 verloren und müssen deshalb zum zweiten Mal in Folge in die Relegation. Sollte das DTBQuartett, Finalist von 2014, erneut verlieren, würde es erstmals seit 2012 wieder in die Zweitklassigkeit absteigen. Doch selbst bei einer Niederlage gibt es noch ein Hinter-
Die Bundesliga wäre gerne international eine ziemlich große Nummer. Ist sie aber nicht. Denn die Premier League ist auf vielen der begehrten Auslandsmärkte ein paar Nummern größer. Momentan zieht es alle Klubs in bewährter Goldgräber-Manier nach Asien. Dort wird zurzeit das große Geschäft gewittert. Borussia Dortmund ist mit einer Dependance in Singapur vertreten. Der FC Bayern München hat unlängst ein Büro in Shanghai eröffnet, der VfL Wolfsburg in Peking. Strategische Entscheidungen, um näher und schneller vor allem Sponsoren davon überzeugen zu können, in die Klubs zu investieren.
Natürlich, das wissen die Vordenker der Liga, kann man nicht nur nehmen, sondern muss auch etwas geben. Und so haben sie sich schon früh großzügig ein paar Gedanken gemacht. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende von Branchenprimus FC Bayern, fand eine ganze Zeit die Idee sehr schick, den sogenannten Supercup in Asien auszutragen. Keiner weiß zwar so ganz genau, was das mit dem Supercup soll, zumindest ist aber ziemlich sicher, dass die Bajuwaren jedes Jahr zu einer der beiden beteiligten Mannschaften gehören. Es geht immerhin um das erste Titelchen der Saison.
Nun ist die Strahlkraft der Veranstaltung überschaubar, und die Vereine haben bereitwillig nachgelegt. In der vergangenen Saisonvorbereitung sind Delegationen aus Mün- türchen. Es spricht viel dafür, dass der Weltverband im August die Aufstockung der Weltgruppe von derzeit acht auf 16 Teams beschließt.
In Stuttgart hat Rittner bewusst auf eine Nominierung von Andrea Petkovic verzichtet. „Sie fehlt dem Team menschlich sehr, weil sie die Stimmungsvollste und Extrovertierteste ist. Wir haben gemeinsam darüber geredet, und für Andrea ist es im Moment die beste Entscheidung. Sie muss bei Turnieren Selbstvertrauen sammeln, sonst kann sie nicht der Rolle gerecht werden, die sie sich selbst im Fed-Cup-Team gibt, und die heißt: Verantwortung übernehmen und Punkte holen“, sagt Rittner im Interview mit „Spox“. „Sie tut alles im Training, hat einen Ernährungsplan, und irgendwann wird es hoffentlich Klick machen und sie wird wieder gutes Tennis spielen.“
Ganz anders ist es um den Status von Kerber bestellt. Die 29-Jährige ist das Aushängeschild der Mannschaft. Eine Rolle, die ihr nicht natürlich liegt. Sie ist eine ausgezeichnete Spielerin, aber keine geborene Entertainerin. Sie musste sich mühsam antrainieren, der Öffentlichkeit Einblick in ihr Seelenleben zu gewähren, um so nahbarer und dadurch besser vermarktbar zu werden. Durch die Schwangerschaftspause von Rivalin Serena Williams (Kerber: „Eine Familie zu gründen, ist das Größte“) wird sich die Aufmerksamkeit weiter auf Kerber konzentrieren. „Ich habe mich als Person weiterentwickelt“, sagt sie. „Ich fühle mich gut und freue mich, dass es endlich losgeht. Die Trainingswoche war sehr intensiv. Wir denken nicht an den Abstieg und die Konsequenzen einer Niederlage. Wir wollen da rausgehen und die Ukraine schlagen.“
„Shanghai, Shanghai – wir fliegen nach Shanghai!“
chen und Dortmund zu Trainingsausflügen nach Fernost aufgebrochen. Und diese zarte Tradition soll in den kommenden Jahren kräftig ausgebaut werden. Die Stars der Bundesliga sollen direkt vorspielen – inklusive unzähliger Selfies mit verzückten Fans in einem sogenannten Wachstumsmarkt. Das bringt nette Erinnerungen für alle Beteiligten. Sehr sicher kurbelt es den Umsatz gehörig an. Der Nachholbedarf ist immens. Dortmund zum Beispiel verkauft jährlich 400.000 Trikots – 15 Prozent davon nur im Ausland. Oder Fernsehgeld. Die DFL sammelte bislang pro Jahr 70 Millionen Euro Fernsehgeld im Ausland ein, die Premier League 560 Millionen Euro. Ein Großteil kommt aus Asien. Tendenz stark steigend.
Damit die Bundesliga schon bald in noch viel, viel mehr Geld schwimmt, gibt es nun weitere bahnbrechende Visionen zur Umsatzsteigerung. Der neue AdidasChef Kasper Rorstedt, vorher für weiße Wäsche bei Henkel verantwortlich, kann sich sehr gut vorstellen, dass das DFB-Pokalfinale nicht mehr in dem total öden Berlin, sondern künftig im total schicken Shanghai ausgetragen wird. Im Prinzip eine prima Idee, wenn mit dem Kauf eines Tickets gewährleistet ist, dass die Beförderung per Linienflug statt jetzt mit dem Zugticket inklusive ist: „Shanghai, Shanghai – wir fliegen nach Shanghai!“ Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de