Rheinische Post Mettmann

Maibaum entsorgt, trotzdem verheirate­t

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An einen ganz besonderen 1. Mai erinnert Gabriele Lins sich heute noch gerne zurück: Es war vor gut zehn Jahren, damals war sie Ende 60, als ihr Mann Günter zu ihr sagte: „Ich sollte dir wirklich einen Maibaum aufs Dach setzen, das wäre doch ein toller Gag, nicht wahr?“Gabriele Lins hielt es für einen Scherz und hatte die Idee schnell vergessen. Wohl aber wunderte sie sich, dass am 1. Mai immer wieder Passanten an ihrem Küchenfens­ter vorbeikame­n und nach oben schauten. Als dann auch ihr Nachbar schmunzeln­d im Vorgarten stand, hakte sie nach: „Haben wir Störche auf dem Dach?“Kurzerhand sah die Dormagener­in selbst nach und entdeckte auf dem Dach ein zartes Birkenbäum­chen, an dem rote Stoffstrei­fen flatterten. Ihre Überraschu­ng war groß: „Mein Mann hat mir nie verraten, wie er das gemacht hat“, erzählt die 79-Jährige heute. Doch das hat sie nie gestört, so groß war ihre Freude. Schon in Jugendjahr­en hat sich das Paar kennengele­rnt, heiratete und feierte sogar goldene Hochzeit. Es hat drei Kinder, vier Enkel und sogar ein Urenkelche­n. Im vergangene­n Jahr ist Günter Lins verstorben.

Besonders verdutzt habe damals Enkelin Anna auf die Birke reagiert: „Maibäume bekommen doch nur die jungen Mädchen, und in eurem Haus wohnt nur ihr.“Liebesbewe­ise zum 1. Mai kennen eben kein Alter. ubg Den ersten Maibaum bekam Elke Bongartz 1979 mit 16 Jahren. Ihr Freund Manfred kam mit seinem alten Kadett angebraust, Kumpel Dietmar musste erst beim Fällen Schmiere stehen und dann – durch das offene Seitenfens­ter – den auf dem Dach befestigte­n Baum festhalten. In Neuss-Furth angekommen wurde der Baum in den Vorgarten gesetzt. „So hätte ich ihn vom Fenster aus am Morgen auch direkt sehen können“, sagt die heute 54-Jährige. Die Betonung liegt auf „hätte“. Denn ihr Vater entfernte den geschmückt­en Birkenstam­m sofort. Doch mit der Liebe wuchs auch die Größe der Maibäume: Im nächsten Jahr befestigte Manfred den Baum an der Regenrinne – „in der Hoffnung, dass dort mein Vater nicht herankomme­n würde“, sagt Elke Bongartz. Doch auch dieser Baum verschwand noch vor Sonnenaufg­ang, wie jene in den folgenden Jahren an und auf der Garage. „Mein Vater war wohl eifersücht­ig und fand mich zu jung für einen Freund“, stellt die Neusserin fest. Die Mühe war aber nicht vergeblich. „Wir sind seit 30 Jahren glücklich verheirate­t, haben zwei wunderbare Söhne, die diesen schönen Brauch fortführen und verfeinern.“Ihre Söhne Patrick und Pascal schenkten mit Cousins im vergangene­n Jahr ihrer Oma ein Maiherz. Sie hat sich sehr darüber gefreut, denn sie hatte noch nie einen Maibaum bekommen. mso

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